Querpass
Ein überschaubarer Effekt
Von Fabian Renger
(15.02.21) "Mittlerweile erwartet jeder zweite Sportverein (52,4%) in Deutschland in den kommenden zwölf Monaten eine existenzbedrohliche Lage." Uff. Das, was die Deutsche Sporthochschule Köln kürzlich in einer Erhebung festgestellt hat, klingt übel. Zumindest auf dem ersten Blick. Doch wie krass schlägt sich die Corona-Pandemie wirklich auf die Mitgliederzahlen der hiesigen Sportvereine nieder?
Wir haben uns bei diversen Clubs auf Münsters Stadtgebiet umgehört. Die Quintessenz fasst Christian Ahlers, 1. Vorsitzender von GW Amelsbüren, eigentlich recht treffend zusammen: "Wir spüren Corona, aber nicht in den Dimensionen, dass ich mir um den Verein Sorgen machen muss." Die von uns befragten sieben Münsteraner Vereinsverantwortlichen beantworten die Frage nach den Auswirkungen alle mehr oder minder mit den selben Worten: Es gibt Austritte im eigentlich gewohnten Maß. Ein Corona-Effekt ist nicht so wirklich spürbar.
Normale Fluktuation
Von Fluktuationen im normalen Rahmen, insbesondere bei den in den Stadtteilen verwurzelten Vereinen, spricht auch Peter Imkamp. Valide Zahlen kann der Pressesprecher des Stadtsportbundes Münster (SSB) jedoch noch nicht nennen. Noch bis Ende Februar läuft die Bestandserhebung der Mitgliederzahlen des Landessportbundes NRW (LSB NRW). Aber der erste Trend ist vorsichtig zu erkennen. Imkamp berichtet: "Das Problem: Weniger Leute kommen neu in die Vereine rein, weil gerade nichts ist. Der Fünfjährige geht zum Beispiel nicht mehr in den Anfängerkurs Handball." Simon Chrobak, Leiter der Geschäftsstelle des TuS Hiltrup, bestätigt diese Einschätzung: "Die Mitglieder fehlen, die unter normalen Umständen neu dazu gekommen wären."
Sprich: Wenige Eintritte, normale Austrittszahlen, aber keine große Austrittswellen. Am meisten Einbußen gibt's bei den unterschiedlichen Kursprogrammen (z.B. Mutter-Kind-Turnen). Online-Angebote halten vielleicht Mitglieder bei der Stange, aber gewinnen keine neuen hinzu. Laut eines Berichts der FAZ aus der vorigen Woche ist auch im gesamten Bundesland ein kleiner rückgängiger Trend ersichtlich. „Die bislang vorliegenden Zahlen weisen einen Rückgang von weniger als drei Prozent aus. Kein Grund zum Jubeln, aber eine Zahl, mit der wir gut leben könnten", heißt es dort von einem LSB NRW-Sprecher. Bislang hätten rund die Hälfte aller 18.000 Mitgliedsvereine ihre Zahlen gemeldet.
Zulauf bei den Jüngeren fehlt
In dem Artikel ist auch vom LSB in Sachsen die Rede. Auch dort heißt es: Der Schwund an Mitgliedern im Vergleich zum Ende des Jahres 2019 lag Ende 2020 bei rund drei Prozent. 20.000 Mitglieder sind das in absoluten Zahlen. Auffällig: Etwa 12.000 hiervon (!) sind Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre. Auch die Münsteraner Vereine merken das. "Es ist nicht so, dass wir sagen: Corona hat uns viele Kündigungen beschert", sagt beispielsweise Ralf Deipenwisch, 1. Vorsitzender des VfL Wolbeck. "Aber der Zulauf fehlt uns. Gerade in Kinder- und Jugendbereich." Rund 600 Mitglieder hat der reine Fußballverein vom Brandhoveweg, die meisten Neuanmeldungen gibt's dort natürlich unter den Kleinen bei den Minikickern. In normalen Zeiten. Die fehlen derzeit.
Auch Stefan Grädler, Kaufmännischer Leiter des 1. FC Gievenbeck, berichtet Ähnliches. Beim rund 1.000 Mitglieder starken FCG herrschen aktuell ebenfalls keine großen Sorgen. Die Zahlen sind auch hier konstant. Allerdings weist Grädler auf ein weiteres Problem hin: "Vielleicht merkt der ein oder andere, dass er auch ohne Fußball kann. Irgendwann sollte es daher natürlich mal wieder losgehen, sonst sehe ich schwarz."
Kleinvieh macht Mist
Was natürlich nicht nur für die Sport treibenden Mitglieder, sondern auch für die ehrenamtlich Tätigen im Hintergrund oder die Übungsleiter gilt. Letztere werden allerdings bei den meisten Clubs noch weiter bezahlt. Norbert Krevert, Kreisvorsitzender des hiesigen Fußballkreises, macht sich natürlich auch viele Gedanken. Mitgliederschwund? "Die Sorge ist schon da, gerade im Jugendbereich", sagt er. Gerade deshalb unterstützt auch der Fußballkreis die SSB-Aktion 'Stay in your Club' (mehr dazu hier). Dort geht es darum den Mitgliedern zu zeigen: Ihr seid wichtig für die Vereine, bleibt ihnen treu! Krevert rechnet vor: "Wenn sich aus einem 20er-Kader fünf Spieler abmelden, bleibt die Mannschaft vielleicht bestehen, aber es fehlen mehrere 100 Euro an Beiträgen im Jahr." Auch Kleinvieh mache Mist. Wohl wahr.
Kurzum: Die Sorge ist in den Vereinen ist da, die Corona-Effekte sind (noch) überschaubar. Sofern es bald weitergehen sollte. Und: Einen Krisengewinner haben wir auch. Er heißt Wacker Mecklenbeck. Daniel Fröndhoff, Trainer der 3. Fußballmannschaft und sozusagen Pressesprecher des Gesamtvereins, berichtet Positives. Genau ein Mitglied mehr (!) als im Vorjahr verzeichnet Wacker aktuell. Gerade im Breitensport (Kursangebote o.Ä.) habe es zwar Einbußen gegeben, aber das sei vor allem durch ein kleines Plus in der Fußballabteilung wieder wettgemacht worden. "Auch wenn es sich doof anhört, aber man sagt bei uns immer: Einmal Wackeraner, immer Wackeraner", so Fröndhoff. Der Spruch bewahrheitet sich scheinbar.
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