Querpass
Regelkunde - Was darf der Torwart?
Von Alexander Eckrodt und Fabian Renger
(17.07.20) "Ein Torwart kommt aus seinem Tor heraus, um eine Flanke aubzufangen. Den Ball verfehlt er aber deutlich und rammt im Flug den gegnerischen Stürmer in der Luft um. Elfmeter? Wenn es ein Elfmeter wäre, müsste dieser ja immer dann gegeben werden, wenn ein Torwart einen Zweikampf verliert und der Stürmer dabei zu Fall kommt. Dass ein Torwart aber eine Flanke unterschätzt, passiert ja schon mal." Diese Frage hat uns Leser Bernhard gestellt, nachdem wir am vergangenen Donnerstag die neuen Regeln für die Saison 2020/21 vorgestellt hatten. Puh, knifflig. Zum Glück gibt es hierfür Experten. Auch dieses Thema haben wir an Thorsten Kaatz, den stellvertretenden Vorsitzenden des Schiedsrichterausschusses im Kreis Münster, weitergeleitet.
Dieser dröselt die Frage in zwei Teile auf. Zum einen wird von einem Zweikampf gesprochen. "Unter einem Zweikampf versteht man den Versuch eines Spielers, im Duell mit dem Gegner an den Ball zu gelangen oder ihm diesen abzunehmen", erklärt er. Das bedeutet, dass der Schiedsrichter, sollte der Torwart beim Zweikampf den Gegenspieler anrempeln, treten, anspringen etc, auf Foulspiel entscheiden müsse.
Beim Zweikampf zählt nicht immer die Absicht
Wir kennen zum Beispiel alle die Situation, dass ein Stürmer auf den Torwart zu läuft. Der Torwart kommt aus seinem Kasten und versucht, mit den Händen den Ball zu verteidigen. Wenn der Stürmer nun aber einen Haken zur Seite schlägt, trifft der Torwart nicht den Ball, sondern die Füße des Gegenspielers. Dieser fällt und der Schiedsrichter entscheidet folgerichtig auf Foulspiel - auch wenn die Aktion des Schnappers eigentlich dem Bal galt.
"Lediglich bei der Beurteilung der persönlichen Strafe nehme ich als Schiedsrichter Rücksicht und würde bei einem DOGSO-Vergehen (Vereiteln einer klaren Torchance) wegen der ballorientierten Spielweise nicht rot, sondern gelb ziehen", beschreibt Kaatz die Möglichkeiten des Schiedsrichters in dieser Situation. Das gelte aber nur, wenn das Foulspiel im Sechzehnmeterraum geschehe.
Höhere Spielerdichte im Strafraum
Die Situation, wenn der Torwart aus dem Tor kommt und eine Flanke abfangen will, werde allerdings anders geahndet. Kaatz beschreibt: "In diesem Moment steht er mit dem Gegenspieler (...) nicht in einem Duell, also nicht in einem Zweikampf. Maximal laufen/springen zwei Spieler aus unterschiedlichen Richtungen zum Ball, um diesen zu erreichen." Weil der Torwart einen Flankenball abfangen wolle und sich voll zum Ball orientiert, wird hier nicht auf Foulspiel entschieden. Wegen der in der Regel höheren Spielerdichte im Strafraum sei die Gefahr für den Torwart viel größer, mit jemandem zusammenzustoßen, als in der Mitte des Spielfeldes. Deswegen erklärt Kaatz: "Wenn der Torwart die Flanke unterläuft, weil er sich zum Beispiel verschätzt hat und anschließend einen Gegner trifft, ist das in der Regel kein Foulspiel, sondern eher ein Unglücksfall."
Dennoch darf der Torwart sich in seinem Sechzehner nicht alles erlauben. Auch, wenn er versucht, eine Flanke abzufangen, kann auf Foulspiel entschieden werden. "Als Schiedsrichter achte ich auf die Mittel, die er anwendet. Wenn der Torwart sich dabei so verhält, dass sich bei der Aktion jemand verletzen könnte, liegt ein Vergehen vor, was durchaus mit einem Strafstoß geahndet werden könnte", so der Lehrwart. Ein Beispiel hierfür ist, wenn der Schlussmann mit dem Fuß voraus in den Gegenspieler springt. Auch ein Sprung mit zu hoher Intensität, bei dem er vielleicht noch mit der Hüfte auf Gesichtshöhe in den gegnerischen Angreifer springt, ist ein Foulspiel. Und auch durch deutlich zu frühes oder zu spätes Abspringen ist ein Zeichen dafür, dass der Angriff nicht dem Ball sondern dem Gegner galt. Es zieht ebenfalls einen Elfmeter nach sich.