Neue Besen, frischer Wind

von Christian Lehmann

(02.11.20) Anders als etwa die Oberliga Westfalen oder die Landesliga-Staffel 4 ist die Bezirksliga 12 in dieser Saison nahezu ohne Spielabsagen ausgekommen, ehe in der vergangenen Woche die Spielpause ausgerufen wurde. Hätten der SuS Neuenkirchen II (gegen den SV Mesum II) und Arminia Ibbenbüren (gegen Concordia Albachten) ihre Nachhol-Partien am Wochenende noch bestreiten dürfen, wäre die Tabelle komplett "glatt gezogen" worden. So oder so lassen sich nach acht Spieltagen erste Tendenzen erkennen, die wir für euch auseinander klamüsern wollen. Bevor wir jedoch jedes Team einzeln unters Mikroskop legen, hier erstmal mein ganz persönlicher Eindruck zur Lage der Liga.

Da wir euch mit möglichst vielen aktuellen Fotos versorgen wollen und ich mich leider noch nicht vierteilen kann (gerade so kurz nach Halloween ein etwas verstörender Gedanke), bin ich bisher in dieser Spielzeit äußerst selten in den Genuss gekommen, mir ein Bezirksliga-Spiel über die kompletten 90 Minuten anzuschauen. Eine Halbzeit hier, eine halbe Stunde dort, das musste (leider) reichen. Einen Eindruck von der "DNA" der 18 Teams bekomme ich aber auch und vor allem dank der regelmäßigen Telefon-Gesprächen am Sonntagabend. Ein kurzer persönlicher Einwurf sei gestattet: Liebe Trainer, der Austausch mit euch ist wirklich klasse!

Mein genereller Eindruck bisher ist, dass vor allem diejenigen Teams, die einen neuen Weg eingeschlagen haben, bisher zu den Rockern dieser Saison zählen. Dass Tabellenführer SC Greven 09 mit der Verpflichtung seines neuen Coaches Mirsad Celebic nicht so schlecht lag, zeigt Tabellenplatz eins. Dass der personell stark besetzte Ligaprimus bisher noch ohne Niederlage über der Liga thront, nehme ich allerdings nicht wirklich überrascht zur Kenntnis. Bemerkenswert ist vielmehr, dass auch der Borghorster FC ganz vorne dabei ist. Natürlich verfügt der Liga-Zweite nach der Fusion über eine exzellente Auswahl guter Fußballer wie den nach langer Verletzung wieder bärenstarken Torjäger Alex Hesener, Chefstratege Marius Wies oder den vielleicht besten Linksfuß der Liga, Alex Wehrmann. Das allein ist aber keine Garantie für ein funktionierendes Kollektiv. Daran, dass aus früheren Rivalen ein verschworener Haufen geworden ist, haben die Trainer Florian Gerke und Michel Straube großen Anteil. Ich glaube, dass der BFC nicht mehr lange als Fusionsklub zweier Vereine wahrgenommen wird. Da wächst etwas Erfolgsversprechendes zusammen. 

Einen ähnlichen, aber doch etwas anderen Weg hat der SC Münster 08 eingeschlagen, für mich neben Borghorst die Positiv-Überraschung der bisherigen Spielzeit. Vor knapp eineinhalb Jahren endete der Traum vom ganz ambitionierten Amateurfußball mit einem harten Aufprall. Nun ist das Team von Julian Wiedenhöft und Jens Dietrich zurück in der Bezirksliga-Spitze, mit Identifikations-Figuren wie Dennis Hamsen, Max Ricken oder Gunnar Weber, aber vor allem ganz vielen jungen Talenten wie Jonay Schwarz, Julius Caßel oder Luis Potthoff. Das Ergebnis: Attraktiver, temporeicher, technisch anspruchsvoller Fußball. Dass auch Emsdetten 05 und SuS Neuenkirchen II mit einem ähnlichen Ansatz und frischem Wind durch eine kluge Neubesetzung des Trainerstuhls sportlich auf Augenhöhe mit gestandenen Bezirksliga-Größen wie der Ibbenbürener SpVgg und dem SV Burgsteinfurt unterwegs sind, bestätigt die Vermutung: Die neue Besen kehren nicht nur gut, sie sorgen auch für ordentlich Wirbel und frischen Wind in der Liga. Ganz nebenbei: Auch der Primus aus Greven setzte nicht nur höherklassig erfahrene Granaten wie Mike Liszka, Felix Krasenbrink oder Peter Lakenbrink ein. Coach Celebic baute zuletzt auch auf U19-Youngster wie Jeremy Bohmert und Linus Wolberg und brachte diese sogar in der Startelf. Mut, der belohnt wurde.

Rein statistisch zählt die Bezirksliga-Staffel 12 mit vier Toren pro Match nicht zu den spektakulärsten Spielklassen. In nur drei Parallelstaffeln fielen im Schnitt weniger Tore. Die gefühlte Wahrheit sieht allerdings anders aus, vor allem, wenn man sich die Auftritte des SC Hörstel anschaut. Die Mannschaft von Trainer Bruno Graw stellt mit 24 Treffern die erfolgreichste Offensive der Liga, mit 25 Gegentoren aber auch die zweitschwächste Abwehr. Macht 6,1 Tore pro Spiel mit Hörsteler Beteiligung! Mit dem wendigen, eleganten Feingeist Christian Biermann und dem wuchtigen, entschlossenen Liga-Toptorjäger Julin Muthulingam hat das Team nach meinem Dafürhalten das Offensiv-Traumduo der Liga, allerdings hat sich auch die Mannschaft als Gesamt-Konstrukt deutlich weiter entwickelt. Das wird spannend, zu sehen, wie sich der Liga-Zehnte schlägt, wenn "Biermulingam" mal von einem Gegner komplett an die Kette gelegt wird. 

Eine echte Enttäuschung habe ich bisher nicht ausgemacht in der Liga. Alle Teams, die sich auf den unteren Plätzen tummeln, ahnten vorher, dass ihnen eine schwierige Saison bevorsteht. Natürlich mag man mit dem noch punktlosen SV Bösensell mitfühlen, doch weder das Team noch Trainer Fabian Leifken vermitteln den Eindruck, dass es auf Mitleid oder aufbauende Worte angewiesen ist. Mit großem Realismus, der nötigen Ruhe und ohne Druck stellt sich der Aufsteiger der unangenehmen Situation. Erfreulich war auch, dass die Truppe trotz der miesen Punkte-Ausbeute bis zuletzt daheim wie auswärts von zahlreichen Zuschauern unterstützt wurde. Wenn diese vermaledeite Pause vorüber ist (und sie dürfen), werden sie wieder kommen. Und irgendwann wird ihr Team auch punkten, da bin ich mir sicher.