"Der Abschied ist die beste Entscheidung"

Von Malte Greshake

(25.05.23) Oben in der Tabelle? Alles (fast) entschieden. Nur noch der FC Nordkirchen erfährt als Zweiter noch, ob es eine Aufstiegsrelegation gibt oder es direkt hoch geht. Ganz unten? Keine Fragezeichen mehr. An diesem letzten Spieltag werden bei allen Mannschaften wohl nur noch Abschiede und Ehrungen für Schweißausbrüche sorgen. Wie bei Concordia Albachten: Dort verabschiedet sich Chefcoach Sebastian Hänsel nach zweieinhalb Jahren an der Seitenlinie und blickt trotz des schon seit längerem feststehenden Abstiegs auf eine erfolgreiche Zeit zurück. Was nicht nur das Sportliche anbelangt.

Im corona-geplagten Winter 2020 trat Hänsel, der davor auch schon Landesligist BSV Roxel trainiert hatte, in Albachten die Nachfolge von Jens Truckenbrod an. Aufgrund der Pandemie war zu diesem Zeitpunkt der Spielbetrieb im Amateurfußball unterbrochen. So durfte er sich bei seiner neuen Mannschaft auch nur per digitalem Zoom-Call vorstellen. "Ein Kerninhalt der einstündigen Kick-Off-Veranstaltung war natürlich der Verbleib in der Bezirksliga. Auf geht's Männer!!", hieß es damals vom Verein. In der zweiten Bezirksliga-Saison belegten die Albachtener zum Zeitpunkt der Saisonunterbrechung nämlich den 14. Tabellenplatz. Zu einem waschechten Abstiegskampf sollte es aber nicht kommen. Die Spielzeit wurde abgebrochen. Albachten würde im kommenden Sommer auf jeden Fall wieder in der Bezirksliga an den Start gehen.

Vom Abstiegskandidaten zum Spitzenteam

"Während der Corona-Pause haben wir uns irgendwie durchgewurschtelt, das war nicht einfach", erinnert sich Hänsel an seinen Start. "Insgesamt hatte ich in Albachten danach aber eine herausragende Zeit." Und diese Aussage wird dem nun folgenden Erfolg trotzdem nicht gerecht. Denn mit irgendwelchen Abstiegssorgen musste sich die Concordia fortan überhaupt nicht mehr beschäftigen. Unter der Federführung Hänsels entwickelte sich die Concordia in kürzester Zeit zu einem Spitzenteam, übernahm ab dem 13. Spieltag die Tabellenführung und krönte sich im Sommer 2022 frühzeitig zum Meister. Eine Sensation war das allemal. Albachten hatte vor ebenjener Saison wohl kaum einer als Favorit auf dem Zettel gehabt. Und Heimspiel-Bezirksliga-Experte Christian Lehmann titelte in Zuge dessen: "Unglaublich. Unglaublich verdient!"

"Ich glaube, so ein Jahr wird man nicht mehr wiederbekommen. Da hat alles gepasst", erklärt Hänsel. "Wir hatten keine Unterbrechungen mehr, alle haben sich fokussiert, sind lernwillig geblieben und wollten es unbedingt." Daneben suchte die Stimmung in seiner Mannschaft seinesgleichen. "Dadurch konnten wir etwas schaffen, was uns niemand zugetraut hätte", so Hänsel. "Nur wir waren dann mit der Zeit immer mehr von uns überzeugt." Die größte Herausforderung sollte allerdings noch folgen...

"Zu jedem Spieler gibt es eine besondere Geschichte"

Mit Beginn der aktuellen Spielzeit durfte Concordia Albachten in die allererste Landesliga-Saison überhaupt starten. Ein historischer Moment. "Das war ein ganz anderes Jahr mit extrem vielen Hürden - ein kompletter Kontrast zur Vorsaison", erläutert Hänsel. "Wir mussten aufgrund von Verletzten, Urlaubern und anderen Dingen viel kompensieren. Nachdem wir die Jungs zu einem top Bezirksliga-Team geformt haben, war es dann eine große Herausforderung, die Mannschaft - in einer unfassbar starken Liga - auf ein Landesliga-Niveau zu hieven." Freude hätte ihm diese Aufgabe dennoch stets bereitet. "Es waren intensive Monate", so der Übungsleiter. "Und auch wenn es mit dem Klassenerhalt nicht geklappt hat: Wenn man die individuelle Entwicklung jedes einzelnen Spielers betrachtet, hat man noch viel mehr gelernt als in dem Bezirksliga-Jahr."

Denn neben einer sportlichen Progression ist für Hänsel die menschliche Weiterentwicklung mindestens genauso wichtig. "Tatsächlich führe ich momentan mit jedem Spieler noch ein Feedback-Gespräch", bemerkt er. "Zu jedem gibt es eine besondere Geschichte. Das war schön zu sehen." Erst in dieser Woche quatschte Hänsel noch mit Thomas Kroker, den er schon aus Roxeler Zeiten kannte. "Thomas ist am Montag offiziell zum Doktor ernannt worden. Und als ich mit ihm damals das Wechselgespräch im Extrablatt geführt habe, bei Wacker Mecklenbeck hat er da noch gespielt, war er gerade noch mit seinem Bachelor-Abschluss zugange. Wenn man das mitverfolgen darf, ist das eine schöne Sache."

Schach-Großmeister Hänsel?

Aufgrund eines Berufswechsels zum Jahresanfang fehlen Hänsel nun allerdings die nötige Kapazitäten, um den Traineraufwand zu stemmen. "Ich bin noch einmal in eine komplett andere Industrie gewechselt", berichtet er. Stichwort Weiterentwicklung. Auch Hänsel selbst begnügt sich nicht mit Stillstand. "Letztendlich habe ich gemerkt, dass ich meinen eigenen Ansprüchen nicht wirklich gerecht werde", fügt er hinzu. "Und mit dem Wissen, für die Jungs nicht der bestmögliche Trainer sein zu können, ist der Abschied die beste Entscheidung." Gleichzeitig stehe mit Max Heimsath, der gerade noch unter Hänsel kickt und seinen Coach nach der Saison beerbt, ein "sehr, sehr guter und junger Nachfolger" bereit. "Max wird nochmal neue Ansätze mitbringen und mit dem neuen Kader wird das wieder eine schöne Bezirksliga-Saison werden", ist sich Hänsel sicher.

Da stellt sich jetzt natürlich die Frage, was Hänsel bald überhaupt so treibt, wenn er nicht mehr viermal die Woche seine Spieler über die Platz jagen darf. "Keine Ahnung, wie sich das überhaupt anfühlt", sagt er und muss lachen. "Vielleicht versuche ich mich erstmal abseits des Fußballs neu zu definieren und neue Sachen zu erlernen. Das Schachspielen habe ich beispielsweise während der Corona-Zeit für mich entdeckt. Ein toller Sport." Innerhalb der Mannschaft haben Hänsel und seine Spieler gar eine interne Schachrunde. Moritz Duschika sei anscheinend der Magnus Carlsen - ein Schach-Großmeister also - der Concordia. "Moritz ist aber auch der Jüngste von uns und hat als Schüler genug Zeit, um über seine Züge gründlich nachzudenken", scherzt Hänsel, der sich nun auch anderen Disziplinen wie Tennis oder Kampfsport widmen möchte.

Neue Herausforderungen

Ob wir Hänsel in Zukunft vielleicht nochmal als Trainer erleben dürfen, ist jedoch alles andere als gewiss. Darüber spricht er ganz offen. "Man weiß natürlich, nie was passiert", hält er fest. "Stand jetzt bin ich mir zu 99,9 Prozent sicher, dass ich als Trainer nicht mehr aktiv sein werde." Auch hier verweist er auf den Kontext der Weiterentwicklung. "Wenn man sieht, was einem für Hürden - besonders im Bereich der Trainerlizenzen - in den Weg gelegt werden, ist das extrem bitter", sagt Hänsel und meint damit den zeitlichen Aufwand sowie die nötigen Kosten. Auch für junge Nachwuchstrainer - wie Borussia Münsters Henry Hupe oder seinen Nachfolger Heimsath - sei das schade. Kieran Schulze-Marmeling, Coach beim SC Preußen Münster II, sprach gerade erst in dieser Woche bei den Westfälischen Nachrichten über ebenjenen Sachverhalt.

Das ist allerdings ein Thema für einen anderen Tag. Hänsel stellt jedenfalls fest: "Für mich ist es besser, mit dieser schönen Sache jetzt abzuschließen, um mich dann neu zu orientieren." Und: Ganz aus der Welt ist er natürlich auch nicht. Den Werdegang seiner Schützlinge wird er weiterhin verfolgen - auch gelegentlich vor Ort am Platz. "Ohne Frage. Das werde ich auf jeden Fall machen", versichert er.

Weil bei allen Spielen keine wichtigen Entscheidungen anstehen, spare ich mir an diesem letzten Spieltag mal meine Sabbelei und übe mich in Demut. Mit Sebastian Hänsel geht's direkt rüber zu den Tipps. Das ist nach diesem Desaster für alle Beteiligten das Beste.

Anschwitzen, der 34. Spieltag

Werner SC - Vorwärts Wettringen (Donnerstag, 19.15 Uhr)
Hänsel: Werne will sich gut verabschieden: 2:1.
Heimspiel-Tipp: 1:2.

Westfalia Gemen - SV Dorsten-Hardt (Montag, 13 Uhr)
Hänsel: Mit Thomas (Thomas Zielaskwoski, Trainer in Gemen, d. Red.) steht ich noch immer im Austausch. Aber auch Dorsten-Hardt hat eine starke Truppe: 1:2.
Heimspiel-Tipp: 3:3.

SuS Neuenkirchen - SG Bockum-Hövel (Montag, 14 Uhr)
Hänsel: Bockum-Hövel ist verdient Meister und eine tolle Saison gespielt. Auch Neuenkirchen geht nochmal all-in: 3:3.
Heimspiel-Tipp: 3:1.

SC Altenrheine - VfL Senden (Montag, 15 Uhr)
Hänsel: Da werden viele Tore fallen. Ich übertreibe einfach mal: 4:4.
Heimspiel-Tipp: 5:3.

Eintracht Ahaus - SpVg Beckum (Montag, 15 Uhr)
Hänsel: Für Ahaus wäre vielleicht noch mehr drin gewesen, ich drücke Frank Wegener trotzdem die Daumen: 3:1.
Heimspiel-Tipp: 4:0.

TSG Dülmen - BSV Roxel (Montag, 15 Uhr)
Hänsel: Marco Weitz hat noch einmal alles probiert. Leider hat es für Roxel aber auch nicht gereicht. Bei Dülmen wird aber auch gute Arbeit geleistet. Weil sie in Dülmen spielen: 2:1.
Heimspiel-Tipp: 1:3.

Concordia Albachten - FC Epe (Montag, 15 Uhr)
Hänsel: Ich hoffe, die Jungs hauen noch einmal alles rein: 2:0.
Heimspiel-Tipp: 4:3.

FC Nordkirchen - Viktoria Heiden (Montag, 15 Uhr)
Hänsel: Nordkirchen ist vor allem in der Offensive unfassbar gut. Heiden wird gegen sie nicht bestehen können: 3:0.
Heimspiel-Tipp: 6:0.

SG Borken - SV Herbern (Montag, 15 Uhr)
Hänsel: Mit Borken verbinde ich immer Bastian Bone (lacht). Und Borken wird auch das letzte Spiel gewinnen: 2:1.
Heimspiel-Tipp: 1:3.