Oberliga Westfalen
Vreden legt wieder los
von Fabian Renger
(25.05.21) "Ich glaube", sagt Engin Yavuzaslan lachend, "heute Nacht penne ich in Vreden am Platz." Der Coach der dort beheimateten SpVgg kann es kaum abwarten. Am heutigen Dienstagabend fängt die Truppe wieder mit dem Training an. Nach langer Zeit sieht er seine Jungs in ganzer Mannschaftsstärke wieder. Körperkontakt ist zwar untereinander (noch) nicht erlaubt, aber das könnte sich im Kreis Borken auch bald wieder ändern.
Zwischenzeitlich hatte Yavuzaslan im Frühjahr in Kleingruppen trainieren lassen, es gab Laufpläne, die Spieler hatten Spinningräder zum Strampeln. Die ihm übermittelten Leistungsdaten und Grafiken hätten gut ausgesehen, berichtet der Coach. "Die Mannschaft ist gut drauf. Ich bin gespannt, ob's an meinem Tablet oder an meinem Rechner liegt, dass es so gut aussieht oder ob das wirklich so ist..." Das Leben auf dem Platz hat er vermisst, den Geruch des Rasens, das Klackern der Stollen. Was steht zum Re-Start an? "Die Grundbasics", erklärt der Übungsleiter. "Mal gucken, ob der Ball ein Fremdgegenstand ist oder ob die Jungs noch ein bisschen was mit der Murmel anstellen können."
In der (viel zu kurzen) Saison stellten sie eine Menge damit an. Die Vredener wurden Achter. In welchem Modus die Liga weiter geht, ist ja noch immer nicht final geklärt. Yavuzaslan ist das derzeit aber völlig wumpe. "Ehrlich gesagt: Ich will nur auf dem Platz stehen und Fußball spielen, nach über einem halben Jahr Pause will ich über solche Sachen nicht mehr stöhnen", sagt er. Freilich: Völlig wumpe ist vielleicht der verkehrte Ausdruck. Natürlich macht der Vredener Seitenlinien-Chef den weiteren Verlauf der Vorbereitung auch von dem Ligamodus abhängig. Du planst anders, wenn die Liga gesplittet wird. Der "richtige" Vorbereitungsstart - dann geht's auch an die Feinheiten - ist für Mitte Juni angepeilt. Vielleicht gibt's zwischendrin auch noch einen kleinen Kurzurlaub, das weiß Yavuzaslan noch nicht.
Abgänge
Was bis dahin ansteht: Sich wieder eingrooven. Auch die Neuzugänge sind bereits mit dabei, die Abgänge dürften vorerst auch dabei bleiben - vorausgesetzt, sie trainieren noch nicht mit ihren neuen Combo. Kontaktreduzierung ist in Corona-Zeiten jetzt auch nicht ganz so doof. Wer weggeht? Gar nicht so viele. Niklas Hilgemann (Spielertrainer VfB Alstätte), Bugra Günes (Union Wessum) sowie Jannik Enning (FC Gütersloh). Raul Völkering und Jannik Schlüter treten berufsbedingt kürzer und gehen zurück in die Zwote. Jari Hellegers kickt bereits seit dem Winter wieder in den Niederlanden. Dass es nicht mehr wurden, ist mehreren Faktoren zu verdanken.
Langfristige Verträge
"Die Krähen fliegen auch über Vreden und gucken sich die Spieler an. Einige waren heiß begehrt", weiß Yavuzaslan. Erfolgreiche Aufsteiger sind immer sexy. Das Problem für findige Spielerfahnder: Wenn über ein halbes Jahr kein Ball mehr rollt, verliert selbst ein eigentlich attraktiver Liga-Neuankömmling seinen Sexappeal. Besonders bemerkenswert: Stützen und Leistungsträger wie Timo Grabowsky, Dennis Wüpping oder beispielsweise Niklas Niehuis haben seit dem Winter Verträge bis 2023. Bernd Verwohlt und Lars Ivanusic verlängerten gar bis 2024 (!!!) - drei Jahre sind jetzt auch in der Oberliga nicht gerade üblich.
Dachten wir zumindest. Doch: Pustekuchen - denn dann erzählt uns Yavuzaslan aus seiner Aktiven-Zeit beim VfB Hüls. Da unterschrieb er einst mal für fünf Jahre (!). "Das war mein Rentenvertrag", sagt er heute lachend und ergänzt zur langfristigen Bindung seiner Vredener Jungs: "Das hat unser Vorstand clever gemacht."
Neuzugänge
Was auch clever gemacht wurde: Die eigene Transferpolitik. Mit Hendrik Brügging (FC Oeding) und Malte Hoffmann (SG Borken) kehren zwei Vredener Jungs nach nur einem Jahr in der Fremde wieder zurück. Brügging ist universal offensiver einsetzbar, vor allem dessen freche und unbekümmerte Art schätzt Yavuzaslan an ihm, wie er im Dezember gegenüber der Münsterland Zeitung zu Protokoll gab. Hoffmann ist für die Abwehrkette vorgesehen - entweder zentral oder links. Noch nicht in Vreden aktiv war der dritte externe Neuzugang Koray Arslan, der vom AZSV Aalten aus der fünften niederländischen Liga nach Vreden wechselt. Auch er ist offensiv vielseitig einsetzbar, Yavuzaslan plant mit ihm aber vor allem als Stürmer.
Und dann sind da ja noch Henrick Resing, Arian Kraushaar und Nils Cordes aus der eigenen U19, die immerhin in der Landesliga spielt. "Drei kleine Rohdiamanten, die man schleifen, denen man die nötige Geduld einräumen und Fehler eingestehen muss, um den Entwicklungsprozess fortzuführen", reibt sich der Übungsleiter erwartungsfroh die Hände. Wie das funktionieren kann, wissen Vredener Anhänger seit dieser Saison dank Felix Mensing. Der kam aus der eigenen U19 in den Kader der Ersten - und überzeugte. Spritzig, wendig, total schnell fasste der Linksfuß Fuß in der Mannschaft. Neun Spiele, 388 Minuten, ein Treffer. Was für eine Debütsaison bei den Senioren. "Das hätte er sich wohl nicht in den kühnsten Träumen erdacht", freut sich Yavuzaslan mit ihm mit. Aber diese Bilanz ist auch ein Lob für seine Arbeit als Ausbilder.
Die Hausaufgaben seien sehr gut erledigt worden, findet er. "Wir sind soweit mit den Planungen abgeschlossen, dass wir uns noch ein gewisses Hintertürchen offen halten, um den Markt zu beobachten." Über alles andere kann er sich dann ja Gedanken machen, wenn er heute Nacht in Vreden am Sportplatz übernachtet...