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Michael Oenning: "Ich traue den Deutschen alles zu!"


Von Christian Lehmann

(25.06.21) Borussia Mönchengladbach, VfL Wolfsburg, VfL Bochum, 1. FC Nürnberg, Hamburger SV, Vasas Budapest, 1. FC Magdeburg, Aris Thessaloniki und nun Újpest Budapest, dazu Tätigkeiten in der Deutschen U18- und U20-Nationalmannschaft - Michael Oenning ist im Profifußball und in der Welt mächtig weit herumgekommen. Die Wurzeln des 55-jährigen Fußballlehrers liegen allerdings im Münsterland.

Oenning wurde in Coesfeld geboren, spielte in der Jugend für die DJK Eintracht Coesfeld und wechselte im Alter von 18 Jahren zum SC Preußen Münster. In der Domstadt studierte er Deutsch und Sport auf Lehramt und blieb dort fast zehn Jahre lang. Mit der TSG Dülmen feierte er mehrere Aufstiege, kurz war er auch für den SV Wilmsberg am Ball.

Wir erreichen Oenning am Freitag telefonisch - mit dem Bus geht es ins Trainingslager. Újpest bereitet sich bereits auf die neue Saison vor, am 29. Juli trifft der amtierende ungarische Pokalsieger in der Qualifikation zur UEFA Conference League auf den FC Vaduz. Ein wenig Zeit nimmt er sich, um über Fußball zu plaudern und in Erinnerungen zu schwelgen. Im Interview verrät uns der Ungarn-Experte unter anderem, wie er die Leistung der DFB-Elf im letzten Gruppenspiel der Europameisterschaft fand, was die Deutschen besser machen müssen, wie die Stimmungin seiner Wahlheimat ist und ob er sich langfristig eine Rückkehr ins Münsterland vorstellen könnte.

 

Hallo, Herr Oenning! Waren Sie am Mittwoch eher enttäuscht über die Leistung der Deutschen oder eher erfreut darüber, wie sich die Ungarn präsentiert haben?

Oenning: Ich war schon enttäuscht von der deutschen Mannschaft, weil sie so ängstlich gespielt hat und so verkrampft war. Dafür gab es im Vorfeld keinen Grund. Man hat es sich meiner Meinung nach hinterher zu einfach gemacht, indem man gesagt hat, die Ungarn waren so stark und es war ein schwieriges Spiel. Es war schwierig, aber das lag daran, dass man mit zu wenig Bewegung gespielt hat. Für die Ungarn hat es mich einfach gefreut. Es ist ganz wichtig, dass sich die Mannschaft über die Ergebnisse neu definiert. Es ist aber auch klar, alle drei Spiele waren Abwehrschlachten. Fußball bedeutet irgendwann auch, dass man Spiele selber gestalten muss, um zu gewinnen. Daran wird die Mannschaft weiter arbeiten müssen. Was die Deutschen angeht: Wenn man das Ziel hat, Europameister zu werden und sich dann beschwert, dass ein Gegner tief verteidigt, dann ist das schon ein bisschen weltfremd.

 

Ihr Herz hat aber sicherlich trotzdem für die deutsche Elf geschlagen, oder? Sie waren ja auch schon selbst als Trainer bei verschiedenen U-Mannschaften des DFB tätig...

Oenning: Ja, sicher. Ich bin ja Deutscher, das ändert sich ja nicht, nur weil ich als Trainer im Ausland tätig bin. Ich habe selbstverständlich Sympathien für Ungarn und bin mit dem Unentschieden zufrieden, auch wenn es der Mannschaft nichts genützt hat. Man konnte aber im Vorfeld nicht ahnen, dass das Spiel in diese Richtung geht. Für die Ungarn hat's mir leid getan, weil sie richtig, richtig gut gespielt haben.

 

Wie war die Stimmung im Land? Haben die Menschen, mit denen Sie gesprochen haben, daran geglaubt, dass etwas geht, oder waren sie selbst etwas überrascht?

Oenning: Die Euphorie war nach dem Punktgewinn gegen den Weltmeister Frankreich da. Nach diesem Wechselbad der Gefühle gegen die deutsche Mannschaft waren viele geschockt, dass sie doch ausgeschieden sind, aber auch unglaublich stolz auf ihr Team. Eigentlich haben sie gar nicht verloren, sondern viel mehr gewonnen bei diesem Turnier.

 

Was trauen Sie der deutschen Mannschaft noch zu?

Oenning: Ich traue ihr alles zu. Das habe ich auch im Vorfeld schon gesagt. Ich habe sie im ersten Spiel gegen Frankreich nicht so schlecht gesehen, da ist man über sie hergefallen. Nach dem Portugal-Spiel hat man sie in den Himmel gelobt, jetzt sind sie wieder gelandet. Ich denke, dass jetzt die Spiele kommen, die von der Spielanlage den Deutschen eher entgegenkommen. England wird zuhause nach vorne spielen, dann ergeben sich mehr Räume. Ich glaube, dass wir besser sind als England. Wenn man sieht, wie sich der Turnierbaum darstellt, dann können die Deutschen sehr weit kommen. Vorausgesetzt, dass sie irgendwann auch anfangen, ein bisschen mehr Balance reinzubekommen. Wenn sie sich aufs Wesentliche konzentrieren, glaube ich schon, dass sie Europameister werden können.

 

Sie stammen aus dem Münsterland, trainieren mittlerweile aber bereits zum zweiten Mal einen ungarischen Erstligisten? Wie hat es sie dorthin verschlagen? Was hat sie am ungarischen Vereinsfußball gereizt?

Oenning: Bei Vasas Budapest bin ich gelandet, weil der damalige Besitzer des Klubs mit dem 1. FC Nürnberg eng verbunden war. Er hatte mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Ich wollte immer mal als Trainer ins Ausland, das war dann der Aufhänger. Nach drei Jahren bin ich zu Aris Thessaloniki, später wieder zurück nach Ungarn, weil ich gesehen habe, dass der ausländische Fußball für mich als Trainer einiges zu bieten hat. Alles andere habe ich schon gemacht, eine fremde Sprache fehlte mir noch.

 

Ihre Wurzeln als Fußballer liegen bei Eintracht Coesfeld, außerdem haben Sie unter anderem beim SV Wilmsberg, der TSG Dülmen und Preußen Münster gespielt. Welche Erinnerungen und Kontakte aus dieser Zeit sind geblieben?

Oenning: Die Verbindung ist noch da. Mein Bruder und meine Mutter leben in Coesfeld. In Wilmsberg habe ich nicht so lange gespielt, aber bei der TSG Dülmen war ich drei Jahre lang. Da sind wir zweimal aufgestiegen. Als ich zu Preußen gekommen bin, unter Helmut Horsch, war ich noch sehr jung. Das war ein Riesensprung für mich von der Kreisliga A in die Oberliga - das war damals die höchste Amateurklasse. Das hat mir aber nicht geschadet. Ich bin Münsterländer und es gibt nach wie vor viele Freundschaften und Spieler, mit denen man verbunden ist. Auch Marius Bülter, den ich beim FC Magdeburg trainiert habe, ist ja ein Kind des Münsterlandes. Ich habe zehn Jahre lang in Münster studiert und gearbeitet. (Anm.: Auf die Frage, ob er das Heimspiel Sportmagazin noch kennt, antwortet Oenning: "Als das gegründet wurde, war ich schon weg."). Ich habe damals mit Uwe Tschiskale in Coesfeld gespielt, er und Uwe Leifeld waren da schon sehr bekannt. Ich war Stürmer und bin mit 18 - nach der Bundeswehr-Zeit - von Preußen Münster verpflichtet worden. Das war außergewöhnlich, ist aber inzwischen auch schon ewig her.

 

Sie werden sicherlich noch einige Jahre als Trainer tätig sein. Ist langfristig eine Rückkehr in die Heimat angedacht oder was sieht der Karriereplan vor?

Oenning: Es gibt einen grundsätzlichen Karriereplan. Ich bin inzwischen in einem Alter, in dem ich mir aussuche, was ich machen möchte. Als Profi-Trainer kann man eigentlich nie etwas ausschließen. Dass ich nach Magdeburg gegangen bin, hatte etwa damit zu tun, dass Mike Frantz als einer meiner ehemaligen Spieler inzwischen als Sportdirektor tätig ist und sich an mich erinnert hat. Mit Angelos Charisteas war das bei Aris ähnlich. Das ist eine tolle Sache und es kann durchaus passieren, dass ich irgendwann wieder nach Deutschland komme. Wann das so sein wird, weiß ich allerdings nicht.

 

 

 

Screenshots: Youtube-Kanal Újpest FC
 

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Kreisliga A Münsterland

Pl. MannschaftSp. TorePkt.
1    SV Mauritz 06 24    104:19 65  
2    Germ. Hauenhorst 24    78:25 63  
3    SG Sendenhorst 24    72:20 62  
4    VfB Alstätte 24    64:19 62  
5    FC Nordwalde 23    72:22 58  

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