"Ansteckung fast auszuschließen"

Von Christian Lehmann

(04.05.21) "Das Risiko, sich bei dem Besuch eines Fußballspiels mit COVID-19 zu infizieren und daran zu sterben, ist vergleichbar mit der Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Flugzeugabsturzes." Das sagt Klaus Stöhr, Virologe, Epidemiologe, SARS-Forschungskoordinator und ehemaliger Leiter des Globalen Influenza-Programms der Weltgesundheits-Organisation WHO. Der Experte, der in einer gemeinsamen Studie mit der Ludwig-Maximilians-Universität die Gefahr einer Coronavirus-Infektion für Zuschauer während eines Fußballspiels in München untersucht hat, nennt in einem Interview mit "fussball.de" auch gute Argumente für die Wiederaufnahme des Outdoor-Sports.

"Warum sich die Politik dafür entschieden hat, die Aktivitäten draußen soweit zu beschränken, entzieht sich meinem Verständnis", erklärt er hier. "Die Daten für die Outdoor-Sportarten sind relativ klar: Ansteckungen beim Einzelsport oder kontaktarmen Mannschaftssport, wie es auch der Fußball darstellt, sind fast auszuschließen. Das trifft für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen zu." Vielmehr deuteten Untersuchungen darauf hin, dass die Ansteckungsgefahr lediglich in geschlossenen Räumen deutlich erhöht ist.

Risiko an der frischen Luft minimal

Stöhr glaubt, dass der Breitensport so lange außen vor ist, weil es bei Kontaktbeschränkungen einheitliche und allgemeingültige Regelungen geben müsse. Dennoch hätten Gemeinden, Kreise und Städte aus seiner Sicht angepasste Einzelfall-Lösungen finden können. "Solange Disziplin und Vernunft herrschen und die Abstandsregeln bei der Anfahrt und beim Umziehen eingehalten werden, sollte das Fußballspielen auf dem Platz überhaupt kein Risiko darstellen. Alles, was an der frischen Luft stattfindet, hat ein minimales Infektionsrisiko im Vergleich zu allen anderen Gelegenheiten", sagt der aus Sachsen-Anhalt stammende 62-Jährige, der auch bei der Impfstoffentwicklung von Novartis mitgewirkt hat.

Die Sieben-Tage-Inzidenz als einzige Bemessungsgrundlage für die Pandemie-Bekämpfung hält der Wissenschaftler für nicht ausreichend - vor allem im Hinblick auf das möglicherweise nahende Ende der Pandemie. Zudem geht er davon aus, dass sich die Fallzahlen in den kommenden Wochen und Monaten weiter reduzieren werden. "Im Sommer wird die Inzidenz bei gleichen Maßnahmen um das Zehn- bis Fünfzehnfache geringer sein als während der Winterwelle. Das war auch schon im letzten Sommer so. Vorausgesetzt, dass die Pandemiemüdigkeit und die Mobilität sich nicht exzessiv erhöhen und diesen Sommereffekt tilgen."

Aus diesem Grund hält der Spezialist auch Großveranstaltungen mit Zuschauern, etwa bei der Fußball-EM, für durchführbar. Darüber hinaus sieht er auch Perspektiven für den Amateur- und Breitensport: "Ich hoffe, dass die Fußballspiele mit Zuschauer*innen ein kleines Stück dazu beitragen, dass die Menschen wieder eine Perspektive sehen und verstehen, dass wir in einer Übergangsphase sind, in der sie optimistisch nach vorne schauen können. Wenn die Modellierung aus dem Fußball für andere Sportarten übertragen werden kann, macht das Sinn."