Die Moralmonster vom Autobahnkreuz
Von Fabian Renger
(06.03.21) Schöne Wolken! 66 Minuten war es spannender, den Sonne-Wolken-Wechsel am Himmel zu betrachten, als sich das Geschehen auf dem Rasen anzuschauen. Die SF Lotte hatten Preußen Münster zu Gast. Lange war's definitiv kein vergnügungspflichtiger Kick. Das, was dann im Schlussdrittel alles noch passierte, entschädigte allerdings. Rote Karte, verschossener Elfmeter, zwei Tore und Emotionen hüben wie drüben. Die Moralmonster vom Autobahnkreuz schlugen wieder zu: Ein 1:1 (0:0) stand schlussendlich auf der Anzeigetafel. Ein ganz schön wilder Ritt - jedenfalls hinten raus.
Beginnen wollen wir mit eben jener 66. Minute. Münsters Joel Grodowski, just zuvor eingewechselt, lässt Lottes Hintermannschaft ganz schön alt aussehen. Mit Vollspeed tankt er sich an linken Strafraumkante durch, gibt die Kugel quer in die Box zu Gerrit Wegkamp. Dessen Abschluss pariert Nino Lacagnina auf der Linie. Der ist allerdings Feldspieler, Schiedsrichter Christopher Schütter zeigt ihm Rot und auf den Punkt. Der Strafstoß von Jules Schwadorf ist jedoch Anschauungsunterricht dafür, wie man Elfmeter nicht schießen sollte. Lotte-Schnapper Jhonny Peitzmeiter lenkt den harmlosen Versuch zur Ecke ab.
Freude währte nicht lange
Damit ging sie ab, die wilde Fahrt. Lottes Coach Andy Steinmann reagierte umgehend. Offensiv-Wirbelwind Emir Terzi musste für den Abwehr-Riesen Luca Menke weichen. Safety first. Die Freude über die Peitzmeier-Parade hielt aber nicht lange an. Kurz darauf gab's Freistoß für den Gast. Rechtes Halbfeld, gut und gerne 35 Meter. Schwadorf brachte das Leder in den Strafraum - und plötzlich stand's 1:0 für die Gäste (70.). Schwadorf ballte die Faust, Alexander Langlitz - langjähriger Lotteraner im Preußen-Dress - soll den Ball wohl noch entscheidend verlängert haben. 50 Prozent für beide. Der Brustlöser für den Tabellendritten? Denkste!
Die zuletzt fünfmal in Serie siegreichen Münsteraner hatten nicht ihren besten Tag erwischt. Sicherheit oder Erleichterung war nämlich mit der Führung im Rücken nicht spürbar, was aber auch den Hausherren lag. Das Kellerkind gab nicht auf und belohnte sich für den schier unbändigen Willen. 81. Minute, Freistoß für die Sportfreunde. Rechte Seite, nahe der Seitenlinie. Justin Plautz donnerte die Kugel in Richtung Tor, Filip Lisnic hielt den Schlappen rein - so einfach ist das manchmal mit dem Toreschießen. 1:1.
In der Folge ging's richtig zur Sache, beide Seiten arbeiteten mit harten Bandagen. Foul hier, Foul da, Grätsche dort. Der Unparteiische hatte es mitunter echt nicht leicht. Wenn eine Mannschaft dem 2:1 näher war, dann waren es sogar die Gastgeber. Die ruhten sich trotz numerischer Unterlegenheit nicht auf dem möglichen Punktgewinn aus.
Über die ersten 66 Minuten können wir unterdessen mehr oder minder den Mantel des Schweigens legen. Möglicherweise waren die Adlerträger etwas auf den falschen Fuß erwischt, von Beginn an stellte sich Lotte nämlich keineswegs hinten rein. Relativ forsch und relativ mutig suchte Lotte nach den Wegen nach vorne, verteidigte sogar verhältnismäßig hoch. Eventuell hatte Lotte sein Mittwochsspiel einfach besser verkraftet als die Gäste. Keine Ahnung. Torchancen waren jedenfalls Mangelware. Preußen-Schnapper Maximilian Schulze Niehues zeichnete sich gegen Leon Demaj (28.) und gegen Emre Aydinel (45.) aus. Sonst war's das.
Es war nicht Preußens Tag
Die Gäste kamen auf einen mickrigen Torabschluss durch Joshua Holtby (26.), fanden sonst wenige Mittel und Lösungen. Kombinationsspiel sah man bei ihnen fast nie, was auch am Acker an der Autobahn gelegen haben dürfte. Stattdessen spielte die Sascha Hildmann-Elf vermehrt langen Hafer und setzte auf die zweiten Bälle. Irgendwie nicht ihr Ding. Wie gesagt: Es war nicht ihr Tag. Preußens Übungsleiter resümierte: "Wir haben ein sehr intensives Fußballspiel gesehen. Mit viel Kampf, Leidenschaft und Emotionen. Am Ende nehmen wir das 1:1 an, auch wenn wir es gerne gewonnen hätten. Viel mehr braucht man zu dem Spiel auch nicht mehr sagen."
Lotte blieb unterdessen im fünften Spiel in Serie ungeschlagen und sprang erstmals seit langer Zeit wieder auf einen Nichtabstiegsplatz. Bereits am vorigen Wochenende bei Fortuna Köln traf Lotte in der 90. Minute zum 2:2-Ausgleich, am Mittwoch in Lippstadt fiel der 2:1-Siegtreffer auch erst in der 87. Minute. Jetzt dieser Fight in Unterzahl. Im Kopf stimmt's. Trainer Steinmann bilanzierte später happy: "Jeder hat sich in jeden Zweikampf reingehauen. Ich bin sehr stolz auf die Jungs. Wir haben einen sehr wichtigen Punkt geholt, mit dem so keiner gerechnet hätte."
SF Lotte - Preußen Münster 1:1 (0:0)
0:1 Langlitz (70.), 1:1 Lisnic (81.)
Bes. Vorkommnisse:
SFL-Torwart Jhonny Peitzmeier hält Foulelfmeter von Jules Schwadorf (67.), Rote Karte für Lottes Nino Lacagnina wegen Handspiels (66.)