Landesliga 3

Reiners nennt den Spiegelfaktor


Von Jan Steinigeweg

(18.12.20) Micky Reiners ist zurück an alter Wirkungsstätte. Seit der Trennung des TSV Ladbergen von Holger Kaiser Ende Oktober hält der 49-jährige Münsteraner wieder die Zügel beim Landesligisten in der Hand. Wenn auch aktuell nur virtuell, da gemeinsames Training in der Halle natürlich nicht möglich ist. "Die Jungs machen aktiv beim Zoom-Training mit und erfüllen ihre Läufe", beschreibt Reiners. Selbstverständlich ist es nicht, dass er bis zum Saisonende, eine Beschäftigung darüber hinaus ist eher unwahrscheinlich, seine Zelte in der Landesliga aufschlägt. Denn seit seiner vorigen Anstellung beim TSV, bis Mitte der 2000er Jahre, trainierte Reiners durchweg höherklassige Mannschaften.

Mit der HSE Hamm und den SG Menden Sauerland Wölfen gelang dem A-Lizenz-Inhaber jeweils der Aufstieg von der Oberliga in die Dritte Liga. Und auch bei der TSG Altenhagen-Heepen saß Reiners in der Dritten Liga auf der Bank. Anfang des Jahres coachte er noch bei den abstiegsgefährdeten "Wölfen", doch die Anstellung fand ein überraschendes und abruptes Ende. Im Dezember 2019 wurde der Vertrag noch bis zum Juni 2021 verlängert, doch am 18. Januar 2020 wurde Reiners telefonisch beurlaubt. Am Abend zuvor wurde nach der Niederlage gegen den Leichlinger TV noch über mögliche Neuzugänge gesprochen, doch nur wenige Stunden später war für Reiners Schluss. "Das war menschlich die größte Enttäuschung, die ich im Handball erlebt habe", blickt er zurück. Und er blickt auf eine lange handballerische Zeit zurück.

Schnell kam Langeweile auf

"Seitdem ich zehn bin, renne ich in der Halle rum", sagt Reiners. Mindestens zweimal die Woche Training und ein Spiel am Wochenende bestimmten also für die vergangenen fast vierzig Jahre seinen Wochenrhythmus. Und seit der Trennung von der SG Menden Sauerland im Januar und durch die coronabedingte Unterbrechung der Saison im Anschluss stand in diesem Jahr erstmals seit Langem kein Handball auf der Tagesordnung. "Ich habe den Sommer über nichts gemacht und im Oktober war mir dann langweilig", gibt der neue TSV-Coach zu. Nichts gemacht, ist natürlich übertrieben. Denn der Beamte arbeitet ganz normal 40 Stunden die Woche, als Serviceverantwortlicher für Betriebswirtschaftliche Systeme. Aber trotzdem merkte der zweifache Familienvater schnell, dass ohne den Handballsport etwas fehlte.

Und wie es dann der Zufall so wollte, flatterte in Reiners ungewohnter Freizeit ein Angebot von Stefan Ferlemann, stellvertretend für den TSV Ladbergen, ins Haus. "Stefan sagte, du hast doch jetzt Zeit. Und damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen", so Reiners. Und der Kontakt zum TSV war sowieso in der Vergangenheit nie abgerissen. Bei der ein oder anderen Entscheidung für die Trainerbank oder auch bei der Verpflichtung neuer Spieler im Heidedorf hatte "Micky" oftmals seine Finger mit im Spiel. Oder zumindest die passende Telefonnummer im Handy. Und jetzt springt er selbst bis zum Saisonende ein. "Das hätte ich für keinen anderen Landesligisten gemacht. Ladbergen hat mir den Einstieg in den Trainerbereich ermöglicht und mir alle Freiheiten bei der B-Lizenz gelassen", so Reiners.

Ursprünglich ins Amt gestolpert

Dabei stolperte er in Ladbergen mehr oder weniger ins Trainerarmt. Denn eigentlich war er nach Stationen beim TV Emsdetten und auch der Ibbenbürener SpVg. Anfang der 2000er Jahre als Spieler beim TSV. Als Giesbert Klinger dann das Amt niederlegte, sprang Reiners mangels Anlternativen als Spielertrainer ein, gewann die ersten sieben Spiele in Serie und merkte, dass diese glückliche Fügung Zukunft haben könnte. "Die Mannschaft in Ladbergen war schon immer gut. Den Job hätte auch der Hallenwart machen können", scherzt Reiners, der seine Spielanteile in der Folge immer weiter runter fuhr und sich allmählich Vollzeit auf das Coachen konzentrierte.

Und die Einschätzung des Teams von vor 20 Jahren trifft laut Reiners auch auf die aktuelle Truppe zu. "Die Mannschaft ist absolut gut. Es fehlt aus meiner Sicht nur ein wenig Leidenschaft und Struktur", verrät Reiners. Er selbst könne nach Niederlagen sehr schlecht bis gar nicht schlafen. Diesen Eindruck hatte er zuletzt nicht unbedingt von allen Ladberger Spielern. "Eine Niederlage ist nur ok, wenn man alles gegeben hat", hält der Rückkehrer fest. Um das auszutesten, nennt er den Spiegelfaktor. Wenn man nach dem Spiel an einem Spiegel vorbeigehen könne, ohne beschämt weggucken zu müssen, dann habe man sich auch nichts vorzuwerfen. Aber eben auch nur dann.

Jeder Spieler hat seine Rolle

Dabei geht es Reiners nicht um die Anzahl geworfener Tore, denn man könne auch zehn Hütten machen und trotzdem ein schlechtes Spiel abliefern. Ein Kreisläufer, der seine Mitspieler freisperrt und Siebenmeter rausholt, aber kein Tor wirft, kann der beste Mann auf dem Platz sein. "Jeder im Team hat seine Rolle und muss dafür auch Wertschätzung erhalten", beschreibt Reiners. Und wenn jeder seine Rolle ausfüllt, dann habe die Mannschaft die passende Struktur. Er sieht seine Aufgabe primär darin "den Jungs Auftakthandlungen an die Hand zu geben und ihnen Möglichkeiten und Alternativen aufzuzeigen". Bislang ging das erst zweimal in der Halle, denn dann kam die coronabedingte Unterbrechung. Aber Reiners brennt darauf, seine angefangene Arbeit im neuen Jahr in Ladbergen fortzusetzen.