Anstoß

Geduld und Verständnis sind gefragt


Von Christian Lehmann

(23.04.20) Eine Oberliga, zwei Westfalenligen, vier Landesligen, zwölf Bezirksligen - und das sind nur die überkreislichen Spielklassen der Männer! Allen Vereinen bietet der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen binnen kürzester Zeit nun die Möglichkeit, ihre Fragen, Wünsche, Nöte und Bedenken zu formulieren. Dass derzeit im Hintergrund eine interne Video-Konferenz beim Verband die nächste jagt, sei hier nur am Rande erwähnt.

Keine Frage, die Herren Walaschewski, Schnieders, Spohn, Schnippe und ihre überkreislichen Staffelleiter leisten in der Corona-Krise Schwerstarbeit. Und sie stehen unter großem Druck. Schon jetzt werden die Diskussionen um die Zukunft des Amateurfußballs hoch emotional und hitzig geführt. In dutzenden Gesprächen mit Trainern, Spielern und Vereinsvertretern habe ich in den vergangenen Tagen aberdutzende Meinungen gehört. 

Ich persönlich hätte mich über eine Fortsetzung der Saison im Juni oder Juli sehr gefreut - allein schon deshalb, weil ich den Muff im Home Office dann endlich mal wieder mit dem köstlichen Duft grünen Rasens hätte tauschen können. Selbst dem kühnsten Optimisten muss nach einem mehrwöchigen Kampf gegen Corona aber klar sein: Das geht nicht.

Von den anderen Optionen, die auf dem Tisch liegen, hat jede ihre Schwächen. Eine Komplett-Annullierung wird den sportlichen Leistungen von Tabellenführern und Spitzenteams nicht gerecht. Eine Wertung nach der Hinrunde erscheint einigermaßen fair, widerspricht aber Sprachregelung in der Öffnet externen Link in neuem FensterSpielordnung des WdFV, die besagt, dass Meister und Aufsteiger in einem Wettbewerb mit Hin- und Rückspielen ermittelt werden müssen. Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens ein Blick die Vorsaison in der Bezirksliga 12: Der spätere Meister SC Altenrheine war nach Beendigung der Hinserie Sechster, sieben Punkte hinter dem Herbstmeister SV Burgsteinfurt. Wie aussagekräftig ist also eine Hinrunden-Tabelle wirklich?

Eine Wertung nach dem aktuellen Tabellenstand unter Berücksichtigung einer Quotientenregel - wie im Handball praktiziert - kehrt keine einzige absolvierte Partie unter den Teppich und klingt erstmal charmant. Doch auch hier veranschaulichen konkrete Beispiele ein Dilemma: Der TuS Hiltrup in der Westfalenliga 1 etwa hat zuletzt seine Spitzenposition in Partien gegen drei Topteams verloren und hätte mit einem Nachholspiel in der Hinterhand noch auf Platz eins springen können. Sollte man den Hiltrupern nun sagen, 'Ätsch, Pech gehabt!', könnte ich ihre Verbitterung nachvollziehen. Eine Wildcard-Lösung wird vom Verband offenbar derzeit nicht favorisiert. Sie würde einzelne Ligen womöglich zahlenmäßig extrem aufblasen, aber wohl auch die wenigsten Klagen nach sich ziehen.

Knifflig. Welche Entscheidung auf dem außerordentlichen Verbandstag auch beschlossen wird, es wird Teams und Vereine geben, denen das nicht schmeckt. Und natürlich gibt es dieser Tage auch die Grantler und Drängler, denen es nicht schnell genug gehen kann. Den Prozess einer finalen Entscheidung nun zu beschleunigen, könnte fatale Auswirkungen haben – nicht nur für den Verband, der sich verständlicherweise rechtlich zu 100 Prozent absichern will, sondern auch für die Klubs. Die Entscheidung liegt aktuell ja nicht mal nicht in Verbands-Hand. Niemand kann absehen, wie lange die Fußballplätze in unserer Region noch gesperrt bleiben. Hier gilt es, geduldig zu sein und auf das Knowhow von Wissenschaft und Politik zu vertrauen. 

Eines sollte man bei aller verständlichen Sorge zudem niemals außer Acht lassen: Die obersten Vertreter unseres Landesverbands üben ein Ehrenamt aus und wären vermutlich selbst froh, eine Entscheidung solchen Ausmaßes nicht treffen zu müssen. Ganz gleich, wie verständlich und nachvollziehbar einzelne subjektiven Befindlichkeiten der Teams und Vereine auch sein mögen. Kein sportlicher Aspekt ist größer oder wichtiger als die Notwendigkeit, diese uns alle betreffende Notlage gemeinsam durchzustehen - mit Solidarität, Geduld und Verständnis. 

Christian Lehmann
- Redakteur -