Lotte Aktivposten Exauce Andzouana schmiss sich in alles rein, was ging. Fotos: Renger

Alles gegeben - nichts gewonnen


Von Fabian Renger

(12.12.20) War es das? Imke Wübbenhorst war auf der Pressekonferenz nach dem Spiel richtig angefasst, sie brach sogar in Tränen aus. Die vorangegangenen 90 Minuten gingen ihr nahe. Die Trainerin der SF Lotte empfing mit ihrer Mannschaft den Ligaprimus RW Essen. Das Match ging 0:2 (0:2) verloren. Vereinsboss Sven Westerhus hatte neulich fünf Punkte bis zum Weihnachtsfest gefordert. Daraus kann bei einer noch ausstehenden Begegnung nichts mehr werden.

Wübbenhorst sprach im Nachgang daher Sätze, die nach Abschied klangen. Sie erinnerte ans Club-Ultimatum und ging wohl selbst von einem baldigen Ende ihres Engagements aus. "Ich wünsche den Jungs und Andy (Co-Trainer Steinmann, d. Red.) alles Gute", sagte Wübbenhorst. Sie lobte die Entwicklung ihrer Mannschaft. "Ich glaube, wir haben viele Sachen besser gemacht als zu Saisonbeginn", fuhr sie fort."Ich hätten den Jungs gewünscht, in eine heterogene Mannschaft zu kommen." So klingen Worte eines scheidenden Coaches.

"Die Mannschaft hat alles reingeschmissen"

Letztlich sind natürlich Punkte die Währung des Geschäfts. Davon gab's auch gegen den Spitzenreiter RWE keine. Der blieb auch im 19. Auftritt der Saison ungeschlagen. Lotte ist nach dem Spieltag weiter Drittletzter. Der Rückstand aufs rettende Ufer beträgt bereits fünf Zähler. Vorwerfen könne sie ihren Jungs nichts, sagte Wübbenhorst. Generell gesehen, also in der gesamten bisherigen Spielzeit. Aber auch speziell auf's Essen-Match bezogen. "Die Mannschaft hat 90 Minuten alles reingeschmissen. Wir hatten das Glück nicht auf der Seite", bilanzierte die Übungsleiterin.

Essen schoss vor der Pause die beiden Buden. Daniel Heber traf aus einem Getümmel (20.), Cedric Harenbrock per Distanzschuss von halblinks aus rund 19 Metern (40.). Lottes Schnapper Jhonny Peitzmeier war zwar noch dran, aber da ging nichts. Ansonsten machte Lotte es den Gästen wohlweislich schwer. Es lief früh und hoch an, produzierte Stress und Hektik, wie es Gäste-Coach Christian Neidhart nachher passend umschrieb. "Wir haben die Tore zum richtigen Zeitpunkt gemacht", befand er. Seine Mannen hatten Probleme, so richtig zwingend wurden sie sowieso selten bis nie. Simon Engelmann traf ans Außennetz (11.), Oguzhan Kefkirs Versuch aus 20 Metern zischte knapp über den Querbalken (18.).

Lottes Kapitän Timo Brauer (r.) scheint hier für unsere Kamera posieren zu wollen. Er ging gut voran.

Ansonsten blieb das Chancen-Tagebuch der Gäste blank. Lotte hatte derweil das Herz in der Hose. Wie ein Team aus dem Abstiegssumpf traten die Hausherren keineswegs auf. Das hatte was. Mumm, Eier, riesigen Bock auf die Überraschung. Leon Demaj verzog knapp (7.), Conrad Azong hatte ebenfalls kein Glück (19.), später scheiterte Drilon Demaj noch an Gäste-Goalie Daniel Davari (37.). Richtige Zeitpunkte - ja, auch da hatte Neidhart recht. Jeweils gefühlt im Gegenzug netzten die Gäste ein.

Im zweiten Abschnitt machten sich die Rot-Weißen richtig rar. Man kann das zurückgeschaltete Gänge nennen, vielleicht. Man kann und muss aber auch einfach mal sagen: Respekt, SF Lotte! Das muss man sich ja mal vor Augen führen: Lotte schoss nur ein Tor in den vorigen fünf Begegnungen. Und zwar  war beim 1:0-Heimsieg gegen Aaachen. Das könnte an den Nerven zerren, Verunsicherung zutage legen. Gerade wenn du Besuch von so einer Übermannschaft wie RW Essen hast, könntest du als Team nach einem 0:2-Halbzeitrückstand völlig zusammenbrechen. Nichts davon war der Fall.

Das Glück des Tüchtigen fehlt

Kapitän Timo Brauer war gefühlt überall und vor allem Exauce Andzouana verdiente sich im Offensivspiel mehrere Fleißkärtchen, Das Problem: Die Abschlüsse waren meist harmlos. Viel zu harmlos. Davari parierte einen Versuch von Leon Demaj (51.), fünf Minuten drauf fehlten Brauer Zentimeter (56.). Lotte kreierte viele Offensivmomente, viele gute Szenen: Nur das Glück des Tüchtigen fehlte halt. Conrad Azong, der bullige Sturmtank der Sportfreunde, wurde zwar oft gesucht, nur zu selten gefunden. In der 64. Minute gelang das mal, aber auch ihm fehlten hier Millimeter.

Ja, die zweite Hälfte ging an Lotte. Davon können die sich die Wübbenhorst-Boys allerdings natürlich nichts kaufen. Das Spiel ging an Essen. Neidhart, ein kluger Mann, sagte weitere weise Worte:" Es wundert mich, warum Lotte so wenige Punkte hat." Er wartete auf einen Einbruch der Hausherren nach so viel Invest. Er wartete vergeblich. Gereicht hat's den Gästen dennoch. Was aus Wübbenhorst, vor zwei Tagen erst 32 Jahre jung geworden, wird, bleibt abzuwarten.

SF Lotte - RW Essen 0:2 (0:2)
0:1 Heber (20.), 0:2 Harenbrock (40.)