Westfalenliga 1

Nelson da Costa (l.) ist nur noch rund ein halbes Jahr Trainer des SuS Neuenkirchen.

Die Perspektive hat gefehlt


von Fabian Renger

(12.11.20) Nach zwei Jahren im Amt hören Cheftrainer Nelson da Costa und sein Co Carlos Andrade im Sommer schon wieder auf beim SuS Neuenkirchen. 24 Monate sind im Fußball nicht wirklich viel. Grund genug also, mal beim Chefcoach nachzuforschen, worin diese Entscheidung begründet war.

Nelson, mal ganz einfach gefragt: Was ist der Grund, was sind die Gründe, dass du und Carlos in Neuenkirchen aufhört?
Da Costa: Uns fehlt so ein bisschen die Perspektive. Jedes Jahr müssen wir den Kader mit sieben bis acht Spielern auffüllen und können nichts weiter entwickeln. Es ist immens schwer, Leute nach Neuenkirchen zu locken. Wir müssen immer viel mit Jugendlichen arbeiten.

Aber ihr steht ja gut in der Tabelle als Siebter mit nur einer Niederlage.
Da Costa: Ja, die Leute, die wir geholt haben, entwickeln sich auch ganz gut und haben Potenzial. Aber das ist keine Garantie für die nächsten Jahre. Die Tendenz, dass sich was verbessert und wir eine Mannschaft entwickeln können, die vielleicht mal um die höheren Plätze mitspielen kann, ist aus unserer Sicht momentan nicht gegeben. Auch weil's finanzielle Einbußen gab. Wir haben auch keine gute Anbindung, die Spieler müssen immer mit dem Auto kommen, das hat viel mit Aufwand und Kosten zutun. Das macht's schwieriger, die Leute zu uns zu bekommen.

Dann gab's ja auch mal Probleme mit den Trainingsmöglichkeiten auf dem Kunstrasenplatz, vor allen in den Wintermonaten...
Da Costa: Im letzten Jahr war's schwierig, ja, in diesem Jahr haben wir die Trainingszeiten so gewählt, dass wir den Kunstrasen kriegen. Wir müssen jetzt montags trainieren, was zwar nicht so cool ist nach den Spielen, aber damit haben wir uns abgefunden. Montags, mittwochs und freitags haben wir die Möglichkeit, auf Kunstrasen zu trainieren. So können wir eine bessere Leistung bringen als im letzten Jahr. Da hat man uns wegen einer Sanierung noch den Rasenplatz genommen. Das konnte man an den Ergebnissen sehen. Da waren die Trainingsbedingungen tatsächlich schlecht, das haben wir verbessern können.

Immerhin.
Da Costa: Trotzdem: Man will ja sagen können, wir bauen eine Mannschaft auf, halten den Kader größtenteils und verstärken uns punktuell. Sodass wir uns jedes Jahr weiterentwickeln können, um irgendwann um Platz 4 oder so zu spielen. Wenn ich zum Beispiel mal nach Rheine gucke: Da laufen unheimlich viele Neuenkirchener oder ehemaliger Neuenkirchener Spieler rum. Wir sind ein Ausbildungsverein, das ist erstmal nicht schlimm. Das sind aber zu viele Leute, die weggehen. Immer eine halbe Mannschaft zu verlieren, ist schwierig.

Trotzdem: Der Zeitpunkt verwundert irgendwie, wo es sportlich so gut läuft. Warum jetzt?
Da Costa: Es läuft aktuell und macht aktuell auch sehr viel Spaß. Aber wir haben jetzt keine Signale gekriegt, dass wir im Budget eine Erhöhung kriegen. Damit wir da mal ein Signal kriegen, die Mannschaft zu halten oder einen erfahrenen Spieler dazu holen zu können. Diese Signale sind nicht da. Wir wollten den Verein im letzten Jahr auch nicht im Stich lassen, nachdem uns diese 30 %-Kürzung im Budget vorgestellt wurde. Auch, um der Mannschaft ein Signal zu geben, dass wir bleiben. Wir sind da voran gegangen.

Dann sind euch mit Joshua Roß, Witali Ganske und Oliver Janning beispielsweise drei Leistungsträger weggebrochen..
Da Costa: Die Gründe sind nachvollziehbar, aber letztendlich standen wir da so ein bisschen im Regen. Das kann natürlich auch in diesem Jahr passieren. Wir wollen dem neuen Trainer daher die Möglichkeit geben, sich jetzt im November und Dezember vernünftig auf die neue Saison vorzubereiten. Auch um für uns selbst einen Cut zu machen, dass alle Beteiligten wissen, woran sie sind. Das ist jetzt einfach der der richtige Zeitpunkt.

Wie war das mit den 30 Prozent-Kürzung nochmal?
Da Costa: Es wurde uns im November zugesagt, dass das Budget zur neuen Saison bis zu 30 Prozent gekürzt wird. Ab Juli kam es dann zur 30-Prozent-Kürzung. Wir haben gesagt: Wer mitmachen will, gerne. Wer nicht, musste sich dann natürlich was anderes suchen...

Aber das mit dem Geld war in Neuenkirchen ja immer schon ein schwieriges Thema.
Da Costa: Als ich 2011 gespielt habe, hieß es schon 'Wir müssen im nächsten Jahr einen Ticken sparen'. Das meinte ich mit Perspektive. Das schleicht sich schon ein bisschen länger ein. 30 Prozent Kürzung von letztem auf diesem Jahr ist schon sehr, sehr viel...

Und das Personal, das da euch verlassen hat, war jetzt auch kein Bankwärmer-Personal.
Da Costa: Wenn man mal so guckt, wen wir alles so verloren haben in den letzten Jahren: Mirko Janning, Oliver Janning, Luca Ehler, Alex Bügener, Witali Ganke, Joshua Roß, Oliver Winkler, Yannik Grabbe...da hat man irgendwann eine recht gute Westfalenliga-Mannschaft zusammen, wenn nicht sogar mehr.

Aber wie gesagt: Eure aktuelle Truppe macht sich ja bislang richtig gut. Trotz ihres Alters.
Da Costa: Wir sind topzufrieden mit den Jungs, die gekommen sind. Sie haben charakterlich komplett überzeugt. Fußballerisch entwickeln wir uns auch gut. Die, die da sind, und auch die, die dazu gekommen sind. Es sind junge Burschen, da sind natürlich einige Schwankungen drin, aber wir sind momentan echt gut zufrieden. Sie haben natürlich auch ein gewisses Potenzial, sonst hätten wir sie auch nicht geholt. Es ist keine Selbstverständlichkeit, aus der A-Jugend zu kommen und in der Westfalenliga-Herrenmannschaft zu überzeugen. Aber man muss gucken, ob die Leute nächstes Jahr bleiben. Das Risiko wollten wir nicht eingehen.

Diese Personalgespräche rauben wahrscheinlich aber auch einiges an Nerven, oder?
Da Costa: Das gehört dazu, das weiß man. Dieses Jahr sind wir in die Saison gegangen, dass wir auf jeden Fall über dem Strich bleiben wollen. Als wir damals zugesagt haben, standen die fünf Absteiger noch nicht fest. Das hat die Situation natürlich jetzt nicht einfacher gemacht. Das kostet immens Kraft, wenn dieses Jahr wieder sieben Leute gehen sollten, hat man wieder das gleiche Problem. Man bewegt sich eigentlich immer im gleichen Stadium. Das ist nicht so, dass man in die nächste Saison geht und auf eine gewisse Basis zurückgreifen kann.

Wie haben die Jungs eure Entscheidung aufgenommen?
Da Costa: Es gab drei erfahrene Spieler, denen wir die Entscheidung rechtzeitig - teilweise auch schon vorm Lockdown - bekanntgegeben haben. Die Entscheidung stand schon ein bisschen länger fest. Die restliche Mannschaft haben wir per Videokonferenz informiert. Malte Nieweler zum Beispiel fand es schade, weil er das Gefühl hat, dass es gut läuft und die Mannschaft gut zusammengestellt wurde. Er kann die Entscheidung auch nachvollziehen. Unser Sportlicher Leiter Matthias Flüthmann findet auch, dass wir gute Arbeit machen, kann unsere Gründe aber auch nachvollziehen.

Wenn es schlechte Arbeit wäre, würdet ihr da aber auch nicht in der Tabelle dort stehen, wo ihr steht.
Da Costa: Na ja, es ist eine Momentaufnahme. Wir haben gegen die Mannschaften gewonnen, gegen die wir gewinnen müssen, wenn wir mit unten nichts zutun haben wollen. Es wird natürlich interessant zu sehen, wie wir uns zum Beispiel gegen Gievenbeck verkaufen.

Wo treibt es dich oder euch hin im nächsten Jahr?
Da Costa: Es ging nicht darum, dass wir uns selbst Optionen schaffen. Es ging uns um klare Verhältnisse für alle. Wir haben uns jetzt nicht darum gekümmert, was Neues zu suchen. Wir warten und gucken. Wir sind dem SuS auch dankbar, dass wir in der Westfalenliga trainieren durften - das war auch keine Selbstverständlichkeit. Wir selbst wissen es aber noch nicht, auch, ob es überhaupt zu zweit weitergeht. Es kommt darauf an, ob und wenn, welcher Verein sich meldet.