Querpass

Heimspiel-Regelkunde: Direkt oder indirekt?


Von Thorsten Kaatz

(14.04.20) Jeder Schiedsrichter hat es bestimmt schon mehrfach erlebt. Da pfeift man gerade einen Freistoß für die angreifende Mannschaft und während sich der ausführende Schütze den Ball zurechtlegt, da fragt er den Schiedsrichter: "Direkt oder Indirekt?". Da muss ich manchmal unweigerlich an den viel zu früh verstorbenen Schiedsrichter-Kollegen Volker Cillessen denken. In einer Anekdote aus einem seiner Westfalenligaspiele erzählt man sich, dass er dem verdutzten Spieler geantwortet haben soll: "Westfalenliga oder Kreisliga?".

Nun, auch die Regelhüter waren vor einigen Jahren noch der Meinung, dass ein Spieler wissen sollte, ob ein Vergehen mit einem indirekten oder einem direkten Freistoß bestraft werden muss. So galt damals, dass, wenn der Schiedsrichter beim indirekten Freistoß vergessen hatte, den Arm zu heben und der Schütze den Ball direkt ins gegnerische. Tor schoss: "Pech gehabt! Du hättest ja wissen müssen, dass der Freistoß indirekt war und deswegen zählt das Tor nicht" - und das Spiel wurde mit einem Torabstoß fortgesetzt. Nach zwei Jahren wurde das (zum Glück) korrigiert. Heute entscheidet man in dieser Situation auf eine Wiederholung des indirekten Freistoßes. Schließlich hat der Schiedsrichter ja vergessen, den Arm zu heben.

Doch woher wissen der Schiedsrichter (und eigentlich auch der Spieler) jetzt, ob das Vergehen mit einem indirekten oder mit einem direkten Freistoß zu ahnden ist? Die Antwort darauf gibt die Regel 12, das "Herzstück unseres Regelwerkes", wie es der ehemalige Kreis-Schiedsrichter-Lehrwart Hans Voß gerne bezeichnete. Die Regel steigt mit den zwölf Vergehen ein, die mit einem direkten Freistoß zu ahnden wären unter anderem. Rempeln, Anspringen, Treten, Halten, Schlagen, Beißen usw. Diese Vergehen haben eigentlich eine Gemeinsamkeit: Man hat einen Körperkontakt zum Gegenspieler.

Ein Beispiel dazu sei Video 1: Hier wird die Schiedsrichterin auf direkten Freistoß für die Torfrau entscheiden, weil es zwischen der Angreiferin und der Torfrau zum Kontakt kommt. Wir können das als "Anspringen" bezeichnen.

Im 2. Abschnitt der Regel 12 werden die Vergehen aufgeführt, die mit einem indirekten Freistoß zu ahnden sind. Ein Beispiel wäre die  "gefährliche Spielweise". Das Video 2 zeigt so eine gefährliche Spielweise. Die Schiedsrichterin muss auf indirekten Freistoß entscheiden. Gut erkennen kann man hier, was gefährliche Spielweise meint: Die Gegenspielerin (blau) traut sich nicht, zum Ball zu gehen und dreht ihren Kopf schützend weg. Es kommt nicht zum Kontakt zwischen Fuß und Gegenspielerin. Hätte die Spielerin mit ihrem Fuß die Gegenspielerin getroffen (berührt), wäre die Spielfortsetzung ein direkter Freistoß gewesen.

Vereinfacht bedeutet das:  

Kommt es zum Kontakt mit dem Gegenspieler -> Direkter Freistoß

Hat man keinen Kontakt mit dem Gegenspieler -> Indirekter Freistoß

Das Regelwerk wäre allerdings nicht "unser" Regelwerk, wenn es so einfach wäre. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber davon mehr im 2. Teil.

 

Fußball ist ein einfaches Spiel - die Regeln sind allerdings nicht für jeden immer einleuchtend und verständlich. Häufig gibt es auch "Experten", die trotz völliger Ahnungslosigkeit meinen, es besser zu wissen. Um uns alle ein wenig schlauer zu machen, haben wir uns an die Lehrwarte im Heimspiel-Land gewandt, um knifflige Regelfragen näher zu beleuchten und mit Mythen aufzuräumen. Wenn auch ihr eine Regelfrage an unsere Schiedsrichter-Ausbilder habt, dann schickt uns eine E-Mail an Öffnet externen Link in neuem Fensterinfo@heimspiel-online.de!