Serie: Die Unbestechlichen

Lasse Lütke-Kappenberg ist erst 20 Jahre jung - und pfeift trotzdem schon Oberliga und Junioren-Bundesliga. Doch der junge Mann hat noch viel, viel mehr Aufgaben.

"Es macht Spaß wie am ersten Tag"


Von Fabian Renger

(19.05.20) Lasse Lütke-Kappenberg ist so jemand, den man zweifelsfrei als Tausendsassa bezeichnen darf. Er hat nämlich eine Menge Aufgaben. Er pfeift in der Oberliga und in der U19-Bundesliga. Zudem ist er seit vergangenem Jahr im Kreisvorstand tätig, bei seinem Heimatclub GW Amelsbüren ist er - weil's ja noch nicht reicht an Aufgaben - Koordinator für den Spielbetrieb.

Immerhin diesen Posten gibt er bald ab. Als er diesen Job übernommen hatte vor drei, vier Jahren war er schließlich noch Schüler. "Da hatte ich eh nichts zutun", flachst er. Jetzt ist das anders. Der 20-Jährige legte 2019 sein Abi ab und merkte spätestens mit dem Einstieg ins Berufsleben: Das wird so nichts mehr. Er hat ja noch eine Freizeit. Trotz gerade anstehender Klausurenphase nahm er sich für uns reichlich Zeit. Wir sprachen mit ihm über den Referee-Job bei den Junioren, stellten die klassischen Schiri-Fragen und wollten mehr wissen über seine Aufgabe im Kreis - mit den damit verbundenen Pflichten...

Lasse, du bist Referee in der U19-Bundesliga, Oberliga-Schiri, dazu hast du einen Posten im Kreisvorstand und die Aufgabe als Spielbetriebskoordinator in Amelsbüren. Wahnsinn. Wie regelt man das? Hast du sonst nichts in deinem Leben zutun?
Lütke-Kappenberg (lacht): Ne ne, ich hab sehr wohl noch was von meinem Leben. Außerdem mache ich das auch alles, weil's mir Spaß macht. Viele Außenstehende sehen sowas wie die Schiedsrichterei als Qual an, aber so ist es nicht. Natürlich ist das aber viel Zeitaufwand, keine Frage.

Eine Qual ist die Schiedsrichterei also nicht für dich?
Lütke-Kappenberg: Im Gegenteil. Ich habe mit 12 oder 13 bei uns im Verein angefangen, mit Ende 14 habe ich den Schirischein gemacht. Das macht mir heute noch immer Spaß wie am ersten Tag.

Ein Kollege aus Tecklenburg meinte neulich zu mir, in den höheren Spielklassen läuft man als Schiedsrichter weniger als in der Bezirksliga zum Beispiel. Ist das so?
Lütke-Kappenberg: Es ist natürlich so, dass du ab der Landesliga deine Assistenten hast und nicht mehr das ganze Feld ablaufen musst. Du hast aber auch oftmals Spiele, wo du trotz Assistenten mehr laufen musst, wenn der Ball im Sekundentakt von der einen zur anderen Seite geschossen wird. Aber dann hast du mal ein Spiel, wo gar nichts drin ist und es 7:0 oder so steht, da kann dann man nur mit der Laufleistung punkten.

Aber dann ist es wahrscheinlich auch langweilig, bei so einem Spielstand.
Lütke-Kappenberg: Spiele, die bis vor kurz vor Schluss eng sind und die 4:4 ausgehen, die machen schon mehr Spaß. Das ist so, ja.

Wo gibt's mehr zu tun? Bei den Senioren oder den Junioren?
Lütke-Kappenberg: Auf jeden Fall im Seniorenbereich. Im Juniorenbereich müssen die Spieler sich ja beweisen. Die Hälfte der Leute am Rand stehen da ja nicht, weil sie ein schönes Fußballspiel sehen wollen, sondern weil sie junge Spieler scouten wollen. Wenn du da als junger Spieler damit auffällst, den Schiri zu nerven, kommt das auch nicht so gut an...

Na gut, das stimmt. Wird man als Schiri denn da auch in irgendeiner Form gescoutet?
Lütke-Kappenberg: In der U19-Bundesliga wird jedes Spiel beobachtet. In der U17-Bundesliga werde ich nicht mehr beobachtet, weil ich eben U19 pfeife. In der U17 wird man nur beobachtet, wenn deine maximale Qualifikation nur die U17 ist. Im Seniorenbereich ist das genauso. In der Oberliga wird auch regelmäßig beobachtet.

Weiß man das vorher?
Lütke-Kappenberg: Wir kommen ungefähr eine Stunde vor Spielbeginn an. Der Beobachter ist spätestens eine halbe Stunde vorher da. Dann quatscht man kurz und trinkt einen Kaffee. Es ist nicht so, dass der hinterm Baum steht und versucht, nicht aufzufallen und du kriegst am Ende einen Bogen nach Hause.

Wie läuft das ab? Gibt's nach dem Spiel direkt eine Rückmeldung?
Lütke-Kappenberg: Nach dem Spiel füllen wir den Spielbericht aus, sprechen mit dem Assistenten, was gut lief und was schlecht. Dann kommt der Beobachter rein und dann gibt's ein Coaching - je nachdem, wie der Beobachter drauf ist und was im Spiel drin war - von 0 bis 1000. Das kann drei Minuten dauern, das kann bei einem Spiel mit vielen kritischen Entscheidungen auch mal eine halbe Stunde dauern.

Bist du eigentlich mit der jüngste Unparteiische in deinen Spielklassen?
Lütke-Kappenberg: Gemessen an meinen Kollegen und meiner Spielklassen-Qualifikation, bin ich oft der jüngste. Aber ich habe den Eindruck, dass in den letzten Jahren immer mehr auf junge Schiedsrichter gesetzt wird. Durch mein Alter habe ich auch keinen Nachteil bei den Spielern. Die überwiegende Zahl der Spieler sieht mich als Spielleiter an, da spielt das Alter keine Rolle.

Bei den Junioren wird wahrscheinlich eher geduzt, oder?
Lütke-Kappenberg: Das ist ein großes Thema. Der Philipp Hagemann begleitet mich schon, seitdem ich 15 bin und das war einer der ersten Kritikpunkte, die ich seit Jahren mit mir rumtrage. In den Junioren-Bundesligen duzen dich die Spieler auch, da ist das völlig normal. Bei den Senioren war ich erst etwas vorsichtiger, als ich vor vier Jahren in die Kreisliga A gekommen bin und die ersten Seniorenspiele gepfiffen habe. Mittlerweile bin ich aber auch da eher auf die Du-Form umgeschwungen. Meiner Meinung sind das alles Kollegen auf dem Platz.

Vor vier Jahren in die Kreisliga A - schon ein steiler Aufstieg. Du weißt, was jetzt für eine Frage kommt. Senioren-Bundesliga. Ist das ein Thema, oder reichen die Junioren?
Lütke-Kappenberg: Das ist natürlich eine Frage, die sich jeder mal stellt...

...deswegen stellen wir sie ja auch...
Lütke-Kappenberg (lacht): ...das habe ich mich absolut noch nie gefragt. Nein, das wäre gelogen, wenn das nicht der Traum von jedem Schiedsrichter wäre. Auf der anderen Seite steht die Seite des Realismus. Man muss objektiv sagen und ehrlich sein, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist.

Was genau machst du eigentlich im Kreisvorstand?
Lütke-Kappenberg: Ich habe kein Stimmrecht und bin quasi beratendes Mitglied im Kreisvorstand. Allgemein ist die Funktion mit Vertreter der jungen Generation betitelt. Aktuell sitze ich an dem Thema Imagefilm, da haben wir ein kleines Projekt, aber das liegt zurzeit brach wegen der Coronakrise. Als jüngstes Mitglied habe ich sonst die Freude, die Protokollführung zu übernehmen, das macht ganz besonders Spaß...

Ach herrje, wer hat dich dazu denn verdonnert?
Lütke-Kappenberg (lacht): Das hat sich am Anfang so ergeben, da komme ich schlecht raus. Ich glaube, ich muss mich darum kümmern, dass ich noch ein jüngeres Mitglied finde.(lacht) Nein, generell besteht die Aufgabe schon daraus, zu Themen meine Meinung aus Sicht der Jüngeren zu sagen.