Querpass

Eines der verrücktesten Spiele in der Laufbahn von Jounes Mabrouk (r.): Weil sich Schiedsrichter Bernd Westbeld verletzte, übernahm dessen Assistent im Aufstiegsspiel zwischen dem VfL Wolbeck und Concordia Albachten die Pfeife. Patrick Holz (M.) nahm Mabrouks Posten an der Seitenlinie ein.

Das Hobby spielt nur eine Nebenrolle


Von Christian Lehmann

(17.04.20) Jounes Mabrouk (27) ist gerne Schiedsrichter. Natürlich vermisst er es, auf dem Platz zu stehen. Derzeit schwirren dem gebürtigen Tunesier allerdings ganz andere Dinge durch den Kopf. Mabrouk ist Empfangsleiter bei einer großen Hotelkette - und aufgrund der Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus seit dem 19. März ohne Arbeit. Bis zum 3. Mai bleiben die Hotels ganz sicher geschlossen, wenn es danach nicht fix wieder anläuft, könnte eine ganze Branche kollabieren. Mabrouk jobbt aktuell im Supermarkt und macht das Beste aus der Situation.

"Ich bin eigentlich immer ein zuversichtlicher Mensch, aber im Moment ist es schwierig", sagt der Sohn einer deutschen Mutter und eines tunesischen Vaters. "Etwas Gutes hat diese Situation auch: Ich mache Sport ohne Ende und bin ziemlich fit." Der Fußball und die Schiedsrichterei stehen bei ihm aber nicht an erster Stelle. "Die Hotellerie ist mein Traumberuf, da muss der Fußball hintenan stehen." Die Hoffnung, dass er seinem Job bald wieder nachgehen kann, sind nach den jüngsten Trends wieder ein wenig gestiegen. Geduld ist jedoch weiterhin gefragt.

Zwei Staatsangehörigkeiten, eine Sprache

Jounes Mabrouk besitzt sowohl die deutsche als auch die tunesische Staatsangehörigkeit. Obwohl er sich auch seiner zweiten Heimat kulturell zugehörig fühlt, gibt es da ein Problem: "Die Leute auf der Straße erkennen, dass ich Tunesier bin. Wenn sie mich auf Arabisch ansprechen, kann ich das aber leider nicht verstehen. Ich bin einsprachig aufgewachsen. Das ist manchmal etwas blöd", verrät er.

Mabrouk ist ein Paradebeispiel gelungener Integration, und der Fußball hat dabei seinen Beitrag geleistet. Bei Marathon Münster stieg er in früher Jugend ein, ein paar Jahre später machten ihm die Vorständler Werner Szybalski und Hedwig Liekefedt den Einstieg in die Schiedsrichterei schmackhaft. Einige Jahre betrieb er beides parallel, in der U15 des 1. FC Gievenbeck zockte Mabrouk sogar recht erfolgreich. "In der A-Jugend habe ich dann nochmal beim Telekom-Post SV gespielt. Ich war eigentlich immer dort, wo ich viele Leute kannte." Irgendwann war jedoch die Zeit gekommen, eine Entscheidung zu treffen. Mabrouk entschied sich für die Pfeife, auch wenn er auch heute - nach elf Jahren als aktiver Schiri - gerne selbst noch gegen die Murmel tritt. "Es war einfach etwas anderes, als Schiedsrichter vor einer großen Kulisse aufzulaufen, statt irgendwo in der A-Jugend-Kreisliga über die Dörfer zu tingeln. Das war für mich nicht mehr das Wahre."

Mit dem SCP-Aufkleber durch die Arminen-Meute

Highlights hat der Schiri in seiner Laufbahn schon so manche erlebt - und auch einige Anekdötchen kann er erzählen. Vor dem Westfalenpokalspiel zwischen Westfalia Vorhelm und Arminia Bielefeld etwa fuhr er mit seinem Gespann im PKW, auf dem ein fetter Aufkleber mit dem Logo des SC Preußen Münster prangte, mitten durch die Fanschar des SCP-Erzrivalen. Ein Aufstiegsspiel in Epe vor über 2000 Zuschauern war emotional, die Oberligapartie des FC Schalke 04 II gegen die Sportfreunde Siegen sportlich ein Leckerbissen.

Die wohl verrückteste Geschichte erlebte Mabrouk allerdings vor der Haustür, beim legendären Öffnet externen Link in neuem FensterAufstiegsspiel zwischen dem VfL Wolbeck und Concordia Albachten 2017 in Albersloh. Kurz vor dem Start der Verlängerung signalisierte Haupt-Referee Bernd Westbeld, dass es bei ihm wegen einer Muskelverletzung nicht mehr geht. Mabrouk sprang ein - und leitete die bedeutungsvolle Partie bis zum Ende souverän. "Ich muss gestehen, dass ich selbst auch Probleme hatte. Der Platz war wahnsinnig hart", erinnert er sich. Angst habe er zu keinem Zeitpunkt verspürt. "Ich wurde von meinen Assistenten an der Linie super unterstützt. Es ist beruhigend, da jemanden wie Patrick Holz stehen zu haben, der inzwischen Assistent in der 3. Liga ist. Außerdem kannte ich viele Spieler ja schon seit Jahren." Als Mabrouk in der Verlängerung einen berechtigten Handelfmeter gegen Albachten verhängen musste, deutete ihm etwa Concordias Schnapper Maxi Jonitz, dass er ebenfalls so entschieden hätte.

Sportjuristisches Nachspiel nach Fehlentscheidung in Greven

Mabrouk kann aber auch Fehler zugeben. So geschehen nach dem Kreisliga A-Spiel des SC Greven 09 gegen den BSV Roxel II, das ein Öffnet externen Link in neuem Fenstersportjuristisches Nachspiel hatte. Weil Greven den bereits des Innenraum verwiesenen Sebastian Hänsel einsetzte, wurde dem damaligen Tabellenführer der Sieg im Nachgang aberkannt. "Das war ein klarer Fehler von mir, auch wenn sich im Endeffekt herausgestellt hat, dass die Sache gar nicht so klar war. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es bei den Leuten positiv ankommt, wenn man Fehler auch mal zugibt. In diesem Punkt hat mich die Schiedsrichterei auch menschlich und beruflich weitergebracht."

Mit Ausnahme einiger kleinerer "normaler Beleidigungen", die nie rassistischer Natur waren, hat der Referee noch keine negativen Erlebnisse mitmachen müssen. Sportlich ist Mabrouk, der in der Bezirksliga pfeifen und in der Oberliga assistieren darf, ohnehin mit sich völlig im Reinen. Die Chance, in die Landesliga aufzusteigen, war da - nutzen konnte er sie jedoch nicht. "Wenn sich noch einmal die Möglichkeit ergibt, versuche ich es gerne. Wenn es nicht klappt, ist das auch nicht so tragisch." Das Wichtigste ist ohnehin, dass er bald wieder seinen Traumjob ausüben kann. Denn das hieße, dass wir alle wohl das Schlimmste überstanden hätten...