Anstoß

Christian Lehmann
- Redaktionsleiter -

All die Mühen war's wert


Von Christian Lehmann

(31.12.22) Das waren sie nun, die ersten Stadtmeisterschaften nach drei Jahren des Wartens. Ich gestehe: Mich beschlich neben der ungeheuren Vorfreude bei meinem ersten Besuch am Berg Fidel seit 2019 auch ein etwas mulmiges Gefühl. Corona hat Spuren hinterlassen - und gewohnte Abläufe einrosten lassen. Würde alles so sein wie früher? Können wir es noch so machen wie früher? Sind die Leute noch immer so nahbar, locker und umgänglich wie früher? Und: War früher wirklich alles besser?

Ich möchte hier kein allzu rosarotes Bild malen. Sicherlich gab es auch nicht nur romantische Randgeschichten rund um die Neuauflage der Stadtis, etwa die Diskussion um die Öffnet externen Link in neuem FensterUFC-Futsalspielerin Jasmin Jabbes, die vom Ausrichter 1. FC Gievenbeck nach Rücksprache mit dem Fußballkreis Münster nicht zum Turnier zugelassen wurde. Es wäre regeltechnisch möglich gewesen, sie auf dem Parkett zu sehen - schließlich dürfen inzwischen ja bundesweit im Amateurfußball Frauen in Männer-Teams mitspielen. Andersherum stellt sich die Frage, was los wäre, wenn plötzlich Männer bei den Frauen mitkicken wollen. Heikles Thema. 

Ebenso diskutabel: Die Rolle der "Ex-Stadtis Flemmer", die ich nicht nur sportlich als absolute Bereicherung empfunden habe. Hinter vorgehaltener Hand kam dann aber doch der eine oder andere kritische Ton durch in den Gesprächen während des Turniers. Traditionalisten konnten sich für die Idee nicht erwärmen. Gerade mit Blick auf das in diesem Jahr besonders kleine Teilnehmerfeld war es aber eine tolle Idee, die Würze ins Turnier gebracht hat. Dass sich Coach Roland Jungfermannn eben kein Allstar-Team gebastelt hat, das jeden Gegner an die Wand donnert, war genau richtig. Ich würde auch in den nächsten Jahren gerne ein paar ehemalige Münsteraner Flemmer auf dem Parkett sehen. Ob es eine Wiederholung gibt, entscheiden die Veranstalter. Sollte die Zahl der Teams weiter schrumpfen, müssen sich die 49ers ohnehin etwas einfallen lassen. Dass überhaupt so angeregt diskutiert wird, zeigt deutlich, welchen Stellenwert die Stadtis in der Münsteraner Fußballszene inzwischen haben - und darüber hinaus. Dass wieder mal über 10.000 Fans kamen und die Halle am Berg Fidel am Endrundentag bis zum Bersten gefüllt war, sowieso.

Dafür, dass viele Teams seit über 1000 Tagen keinen Futsal-Ball am Fuß hatten, war auch das Niveau ein richtig gutes - vor allem in der Endrunde, in der mit GW Amelsbüren und dem FC Mecklenbeck zwei Underdogs für Begeisterung sorgten. Extremes Tempo, tolle Dribblings, krachende Fernschusstore - es war schon viel drin in diesem Turnier. Die Zahl der Zwei-Minuten-Strafen hielt sich erneut in Grenzen, nur eine Rote Karte trübte das Bild eines wieder mal super-fairen Turniers. Daran hatten wieder einmal die guten Schiedsrichter einen großen Anteil. An Arbeit mangelte es ihnen nicht: Schon in der Vorrunde wurde es mitunter mega-dramatisch, GW Gelmer schied in einer engen Dreier-Gruppe, in der alle Teams am Ende sechs Punkte aufwiesen, aus - und hatte doch richtig gut gespielt. In der Zwischenrunde gab's ein Foto-Finish zwischen Wacker und Borussia, das einen Tag später vom Herzschlagfinale zwischen Nullacht und Mauritz nochmal getoppt wurde. Das wohl atemberaubendste und spektakulärste Spiel des Turniers war dann aber das Halbfinale zwischen Münster 08 und den Preußen, die mit einem Buzzerbeater ins Endspiel einzogen und auch dort nach zwischenzeitlich komfortablem Vorsprung voll gefordert wurden. Für Spannung und Unterhaltung vergeben wir neun von zehn Punkten.

Der vierte Adler-Titel in Folge, er war kein Selbstläufer. Die Preußen setzten sich aber wieder einmal gegen alle Widerstände durch. Obwohl mitunter ein wenig gepfiffen wurde, musste jeder neutrale Zuschauer zustimmen, dass da eine Mannschaft die Trophäe in den Händen hielt, die sich dafür zerrissen und den besten Hallenfußball gespielt hatte - und die zu keiner Zeit arrogant auftrat. Dass der im Endspiel unterlegene Kinderhauser Luis Haverland gleich doppelt ausgezeichnet wurde (bester Spieler, bester Torschütze) und Hiltrups Romain Böcker erstmals bester Torhüter wurde, war ebenso angemessen.

Die Stadtis sind für unser Team Stress und Urlaub zugleich. Der Rücken schmerzt, Komfort und Platz halten sich auf der Pressetribüne in Grenzen - auch wenn sich der Veranstalter richtig ins Zeug legt, uns die Arbeit so gut es geht zu erleichtern. Ein großer Dank hierfür! Wenn allerdings die Technik streikt oder man die entscheidende Szene gerade nicht mitbekommen hat, kann man sich schon mal auf die Unterlippe beißen. Und: Nicht immer ist jeder Spruch, den wir zu hören bekommen, lustig (Na gut, unsere sind ja auch nicht immer der Brüller). Wenn ich aber beim Feierabend-Bierchen nach dem Finale in die müden, aber funkelnden Augen der Kollegen schaue, weiß ich, wir haben nicht alles falsch gemacht. Die lieben Worte von Trainern, Spielern und Funktionären bestärken mich dann endgültig: All die Mühen war's wert. Wir kommen gerne im nächsten Jahr wieder. Schön, dass ihr zurück seid, liebe Stadtis!

Einen guten Rutsch und die besten Wünsche für ein friedliches neues Jahr!