Marcel Hirschfeld von SW (r.) war genauso wie Matthias Herrmann vom ESV (M.) beim Pokalspiel 2008 dabei. Am Sonntag könnten sie sich wieder begegnen.

SW und ESV fiebern erstem Liga-Derby entgegen


Von Sascha Keirat

(23.10.12) Biegt man von der Hammer Straße auf die Siemensstraße ab, fährt man unter einer Brücke durch, auf der in abgenutzter Schrift zu lesen ist: „Eisenbahner Sportverein Schwarz-Weiß Münster von 1927 e.V.“. Dass der ESV und Schwarz-Weiß heutzutage zwei gänzlich verschiedene Paar Schuhe sind, ist längst bekannt. Am Sonntag treffen SW und der ESV erstmals in einem Ligaspiel aufeinander. Am Sonnenbergweg stellt man sich auf einen intensiven Sonntagnachmittag ein.

Der 85 Jahre alte ESV gastiert beim gerade fünf Jahre jungen Nachbarklub. Die Partie verspricht allein deshalb Spannung, weil sich beide Mannschaften sportlich derzeit anscheinend auf Augenhöhe bewegen. Die „Rappen“ belegen Platz 8 (11 Punkte), die Eisenbahner den elften Rang (9 Punkte) bei einem Spiel weniger. Im Kreisliga-Oberhaus kicken beide Teams zwar schon seit drei Jahren, doch wurden beide zuletzt für je eine beziehungsweise zwei Spielzeiten in die A2 „versetzt“. Ein Derby gab es bislang lediglich im Kreispokal 2008 (4:2 für SW).

Ein Rückblick ins Jahr 2006: Der ESV lag damals am Boden. Die erste Mannschaft stieg nach chaotischer Saison - begleitet von großen finanziellen Problemen - unter Trainer Ralf Scholz aus der Bezirksliga ab. Fast alle Spieler der ersten und zweiten Mannschaft kehrten dem Klub den Rücken. Ein Neuanfang sollte mit Vito Pasquariello (heute Sportlichre Leiter bei SW) in der A-Liga gemacht werden. Der Verein reagierte aber auf den personellen Aderlass und trat erst gar nicht an, sondern wagte einen Neustart in der Kreisliga B unter Coach Frank Piekenbrock (danach Trainer bei SW Münster II, jetzt im Vorstand).

2009: Paralleler Aufstieg in die A-Liga

Im Zuge all dieser widrigen Umstände rauften sich in den folgenden Monaten viele „Alt-ESVer“ wie Daniel Hirschfeld, Helge Dahms, Christian Lilley, Klaus Hermann oder Daniel Ley zusammen und strebten einen sportlichen Neufang abseits ihres alten Klubs an. Unter dem Vorsitz des langjährigen ESV-Funktionärs Michael Reismann gründete sich dann im Januar 2007 der neue Verein SW Münster 07. Die Entwicklung am Berg Fidel, wo die Kicker bald auf der Anlage des aufgelösten BFV 72 Münster eine Heimat fanden, nahm schnell Fahrt auf – sportlich wie auch in der Infrastruktur. Im ersten Jahr gelang unter Pasquariello der Aufstieg, in der Kreisliga C2 gewann die „Übermannschaft“ jedes ihrer 18 Spiele. Im darauf folgenden B-Liga-Jahr schaffte das Team dann über den Umweg Relegation den Durchmarsch. 

Während die Augen der münsterschen Fußballszene stark auf den Emporkömmling gerichtet waren, arbeitete der ESV quasi im Schatten der „Rappen“ erfolgreich am Neuaufbau. Unter Coach Ludger Kniesel gelang ebenfalls 2009 der Aufstieg in die Kreisliga A. Viele Spieler der Aufstiegstruppe wie Thorben Steens, Florian Heisel, den Bartz-Brüder Daniel und Julian, Volkan Uyar, Sebastian Lehnert, Michael Greiner, Stefan Wegner, Matthias Herrmann oder Mirco Bertelsbeck tragen auch heute noch das ESV-Trikot. Auch bei den Schwarz-Weißen stehen noch einige Kicker im Kader, die von der ersten Stunde an dabei waren: Timm Dachmann, Tobias Dabeck, René und Marcel Hirschfeld, Tim Neubert, Pascal Grohmann oder Sebastian Plesse.

Rivalität nicht mehr so groß

Beide Teams haben aber auch viele neue Spieler in ihren Reihen, für die am Sonntag ein eher normales Spiel auf dem Programm steht. „Die große Rivalität von damals gibt es heutzutage eigentlich kaum noch“, sagt Klaus Petrasch, Abteilungsleiter des ESV und Ur-Eisenbahner. „Vor fünf Jahren gab’s da noch Zündstoff – aber das ist gegessen.“  Das sieht auch Pasquariello, der das Geschehen beim ESV immer verfolgte, so: „Viele der heutigen Spieler haben das Ganze ja gar nicht miterlebt. Auf dem Platz gibt es wahrscheinlich weniger Brisanz als daneben bei den Alteingesessenen. Trotzdem freuen wir uns total auf das Derby.“
 
Wer am Sonntag als Favorit ins Rennen geht, ist schwer zu sagen. Der ESV hat sich nach schwachem Saisonstart mittlerweile gefangen, die Schwarz-Weißen spielten konstant, belegen schon seit dem fünften Spieltag den achten Platz. „Ich denke aufgrund der letzten Ergebnisse könnten wir einen leichten Vorteil haben“, sagt Klaus Petrasch. Auch Pasquariello sieht die Gäste im Aufwind, ist mit dem Start des eigenen Teams aber gut zufrieden: „Wir haben einen guten Kader, viele Alternativen und wollen zu Hause natürlich gewinnen.“