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Verkehrte Welt am Teekotten
von Fabian Renger
(30.11.20) Ach menno! "Ich werde mich zu keiner Aussage hinreißen lassen und kein Fass aufmachen", behält Steffen Molitor die Füße still. Grund genug hätte er eigentlich. Vor der Saison trat er seinen Dienst als Trainer von Borussia Emsdettens Zweitvertretung an. Derzeit steht er mit der Mannschaft ganz oben. Aber vom Aufstieg sprechen? Nein, nein, das wollen und werden sie nicht beim letztjährigen Tabellensechsten. Auch Molitors bester Torschütze Benedikt Herting verneint die Frage umgehend. "Wir haben ja noch nicht gegen die ganz Großen gespielt", sagt er, der bislang sechs Hütten erzielte. Sie behalten am Teekotten die Kirche lieber im Dorf.
Ja, Herting hat recht, wenn er auf den Spielplan verweist. GWA Rheine, der TuS Laer, der FSV Ochtrup, Westfalia Leer - gegen die vier direkten Verfolger aus dem Spitzen-Quintett der Liga haben die Borussen tatsächlich noch nicht gespielt. Dennoch: Das, was da ist, nimmt ihnen ja auch keiner mehr weg. Und: 19 Punkte (Sechs Siege, je ein Unentschieden und eine Niederlage) musst du gegen den Rest der Spielklasse auch erst einmal eintüten. Die nackten Zahlen lassen allerdings Fragen offen und einen Schluss zu: Irgendwie ist verkehrte Welt angesagt, seitdem Molitor das Ruder von André Wöstemeyer übernommen hat.
Teupes Abgang gut kompensiert
Rein statistisch gesehen haben nur Laer, GWA Rheine und Fortuna Emsdetten häufiger getroffen. 23 Tore sind's für die Dettener. "Gefühlt sind das schon so viele Tore wie in der ganzen letzten Saison", sagt Herting erstaunt. In der Tat. Da waren's nur 29 in 20 Begegnungen, nur Horstmar traf seltener. Der offensive Aufschwung ist umso bemerkenswerter, weil mit Paul Teupe (Borghorster FC/O-Ton Herting:"Er könnte gerne wieder kommen") beispielsweise der Torjäger vom Dienst abhanden gekommen ist. Elf Tore gingen in der Vorsaison alleine auf sein Konto.
Mit Bastian Wolf und Henrik Möllers brachen weitere Achsen im zentralen Bereich weg. Youngster wie Nils Fontein oder Lutz Hermeling sprangen für sie erfolgreich in die Bresche. Auch Neuzugang Dominik Tiekötter - vorher GW Rheine, der einzige externe Neuling - machte mit fünf Treffern auf sich aufmerksam. Herting findet:"Sie hauen sich alle gut rein."
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Auch Molitor sieht seine Elf auf einem guten Weg. "In der Summe sind wir eine geschlossene Gemeinschaft, die super zusammenarbeitet und deswegen sind wir auf Platz eins", lobt der Coach. Der Zusammenhalt sei extrem stark, die Moral sowieso intakt. Das können wir belegen. Gegen die SpVgg Langenhorst/Welbergen, Vorwärts Wettringen II sowie den SC Altenrheine II drehte sie Rückstände, holte so noch immerhin sieben Zähler aus den drei Begegnungen. Mal lag sie 0:1, mal sogar 0:2 zurück. Stark. Doch auch taktisch hat Molitor etwas verändert. Aus dem 4-2-3-1 der Vorsaison machte er ein 4-4-2. Allerdings auch erst nachträglich.
Zunächst wollte er der Truppe nämlich eine Dreierkette einimpfen. Das funktionierte allerdings nicht. Nach nur zwei Siegen aus acht Vorbereitungsspielen änderte Molitor die Formation, stellte hinten auf vier Mann um. Prompt lief's. Im letzten Test gegen Germania Hauenhorst gab's einen 3:2-Erfolg. In der Liga folgten sechs Erfolge aus sechs Spielen, teilweise waren das richtig ausgebuffte Auftritte wie damals im Spitzenspiel gegen die SF Gellendorf.
"Sehr hohe Auffassungsgabe"
"Das, was wir zunächst vorhatten, den Fußball, den ich grundsätzlich spielen lasse, war nicht so übertragbar", orientierte sich der Übungsleiter seinerzeit an Qualität und Ausstattung des Kaders. Viel arbeitet er, der ja zur neuen Saison zum Coach der Ersten aufsteigt, mit seiner Elf im Passspiel, in der Vororientierung. Er zieht den Hut vor seiner Bande:"Die Jungs haben eine sehr hohe Auffassungsgabe und wollen auch was lernen." Kollektiv: Check. Moral: Check. Lernwille: Check. Läuft doch. Haare in der Suppe? Hmm, ja, haben wir jedoch auch gefunden.
Erst vor der Corona-Pause strauchelte das Team kurz. 3:3 gegen Altenrheine, 0:3 gegen Fortuna Emsdetten und dann war Sense. In keinem einzigen Pflichtspiel stand übrigens die Null. Auch wenn Molitor seiner Elf ein gutes defensives Engagement und eine saubere Ordnung attestiert: Das kann so doch nicht gewollt sein. Und auch das war ähnlich wie die Treffsicherheit etwas überraschend. Schließlich verfügten die Borussen in der Vorsaison über die drittbeste, in 2018/19 über die fünftbeste Hintermannschaft. Emsdetten kassierte in 2020/21 schon 15 Buden. Acht Teams hielten den Kasten sauberer. Sicher nach acht Begegnungen nur begrenzt einzuordnen, aber: Eine auffällige Zwischenbilanz.
Wohl eher kein Abstiegskandidat
Für Molitor spricht das auch und vor allem für die Konkurrenz. An die Grenzen müsse seine Crew gehen. Klingt nach einer ausgelutschten 0815-Floskel. Stimmt aber bei den Borussen. "Qualitativ ist vielleicht die eine oder andere Truppe dabei, die besser ist", meint der Übungsleiter, der eben deshalb den Mund nicht zu weit aufreißt und die Situation realistisch einordnet. "Es werden noch einige nicht so schöne Wochen auf uns zukommen." Das sieht Herting auch so. Allerdings legt er sich fest:"Mit dem Abstieg haben wir nichts zutun." Das darf man wohl so stehen lassen. Ohne ein Fass dabei aufzumachen.
