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Emilie Maihs stand am Wochenende für Stella Bevergerns Männer im Tor - und dazu könnte es nun noch häufiger kommen. Fotos: Stella Bevergern

Emilie Maihs - allein unter Männern


von Fabian Renger

(22.02.24) Da hat wohl manch einer blöd aus der Wäsche geguckt. Am vergangenen Samstag testete B-Ligist Stella Bevergern gegen den A-Ligisten Westfalia Hopsten. An sich nichts Außergewöhnliches. Wäre da nicht Emilie Maihs gewesen. Die 20-Jährige stand nämlich für Stella auf dem Spielberichtsbogen und in der zweiten Halbzeit auch im Tor. Eine Frau bei den Männern? Eine Seltenheit. Aber seit zwei Jahren dank eines Pilotprojekts erlaubt. Und für Maihs ist das sowieso nichts Besonderes mehr.

In den Minikickern fing sie bei Stella an. Bis zum letzten B-Jugend-Jahr spielte sie gemeinsam mit den Jungs. "Ich war immer das einzige Mädchen", erinnert sie sich. Das härtet ab. Ab der D-Jugend spielte Maihs obendrein bei Arminia Ibbenbüren per Zweitspielrecht in Mädchenmannschaften. Später zog sie weiter: Ein Jahr B-Juniorinnen-Bundesliga beim FSV Gütersloh, mehrere Jahre Osnabrücker SC. Frauen-Regionalliga, zuletzt Frauen-Oberliga Niedersachsen. Erfahrung hat die Torhüterin reichlich gesammelt. Im Herbst machte sie beim OSC aber Schluss. "Ich hatte keine Lust mehr auf den Leistungsfußball", erklärt die Keeperin. Und im kommenden Sommer ruft schließlich der große Teich: Maihs hat ein Stipendium in den USA ergattert. 

Ein vierjähriges Pilotprojekt

Aber das ist Zukunftsmusik. Viel spannender ist die Frage: Wie zum Geier kam sie jetzt zu Stella I? "Das war ein Zufall", sagt Thomas Overmeyer, Cheftrainer in Bevergern. Maihs war schon seit geraumer Zeit immer mal wieder Trainingsgast bei Stella, um sich dort fitzuhalten. Man kennt sich eben auf dem Dorf. Kadermitglieder wie Max Bosch oder Ole Wenninghoff spielten einst mit Maihs in der Jugend. "Irgendwann hat sie mir gesagt, dass sie jetzt erstmal aufhört, Fußball zu spielen. Da hab ich ihr gesagt: Bist du blöd? Bevor du ganz aufhörst, kommst du erstmal zu uns", erklärt Overmeyer. Er wusste: In Niedersachsen können Frauen bei den Männern mitspielen. Das muss doch auch in Westfalen gehen?

Und wie das geht. Seit 2022 läuft ein auf erstmal vier Jahre angelegtes Pilotprojekt des DFB, das es Frauen ermöglicht, in Männermannschaften mitzuspielen. Der FVLW war gemeinsam mit dem bayrischen Fußballverband einer der Vorreiter in der Republik. "Die Holländer haben die Idee als allererstes gehabt", sagt die für den Frauenfußball zuständige FLVW-Vizepräsidentin Marianne Finke-Holtz. Als erstes standen viele Fragen im Raum: Machen die Frauen das überhaupt? "Wenn wir das nicht ausprobieren, wissen wir das nicht", musste Finke-Holtz nicht lange drüber nachdenken. Im Futsal ist das möglich, theoretisch könnten sogar in der Männer-Regionalliga Frauen mitspielen. "Wir haben einige Mannschaften, die es machen", weiß die FLVW-Funktionärin. Besonders in Ostwestfalen tauchen häufiger mal Frauen bei den Männern auf.

Overmeyer hat "keine Bauchschmerzen" mit Maihs im Tor

Enges Personal im Allgemeinen oder auf einzelnen Positionen, keine eigene Frauenmannschaften: Es gibt viele Gründe, die für diesen besonderen Clou in Frage kommen. Vor allem aber im unteren Kreisliga-Bereich. Der Unterschied ist schließlich immens. "Die physische Intensität ist bei den Männern deutlich höher, alles ist  robuster und schneller", hat Maihs festgestellt. Andere Welten. Aber auf Kreisebene machbar. "Ich hätte keine Bauchschmerzen, sie ins Tor zu stellen, wenn sich mein Torwart mal verletzt", sagt Overmeyer. Mit Marco Strotmeier hat er nämlich nur noch einen Keeper im Kader. Als Alternative kam bislang nur Routinier Sebastian Lipski in Frage - aber der ist eher Altherren-Spieler und sonst 1. Vorsitzender des Clubs. Maihs kam also wie gerufen.

Als Frau unter Männern bzw. Jungs zu spielen, ist für Maihs übrigens seit ihrer Kindheit nichts Besonderes mehr.

Am Anfang war Maihs noch skeptisch. Training ist ja die eine Sache, aber dann ein kompletter Teil der Mannschaft zu sein, das ist eine andere Geschichte. "Aus der Mannschaft habe ich ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen", erhielt sie die vollste Rückendeckung in Bevergern, das half für den Übergang. Die Reaktion von Außenstehenden waren vielfältig. Ihr Schritt sei als mutig, teilweise auch als inspirierend bezeichnet worden, als ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung. In diese Kerbe schlägt auch Maihs selbst: "Ich sehe das mehr als Chance, die Vorurteile durchzubrechen und den Weg für mehr Akzeptanz im Sport zu bestreiten."

Mit 0:3 verlor Bevergern gegen Hopsten. Zwei der drei Gegentore fing sich Maihs. Aber das war Nebensache. "Ich würde schon sagen, ich kann mithalten", sagt sie selbstbewusst. Es waren auch einige gute Paraden dabei. "Sie hat ihre Feuertaufe bestanden", lobt auch ihr Trainer Overmeyer. "Wenn neue Spieler zum Training bei uns kommen und sie nicht kennen, dann gucken die schon mal doof und ich sage denen: Keine Sorge, ihr könnt voll draufhalten. Wir sind froh, dass wir jetzt immer zwei Torhüter beim Training haben. Ich bin froh, dass sie bei uns ist."

Die Nervosität war schnell dahin

Und was machte das Debüt sonst aus ihr? Maihs lacht. "Ich habe mir richtig Sorgen gemacht, was das wird. Das war fast schlimmer als beim Debütspiel in der Jugend-Bundesliga. Ich war deutlich nervöser." Doch das legte sich mit dem Anpfiff und den ersten gelungenen Aktionen. Auch vom Gegner gab's nur gutes Feedback. Mit möglichen doofen Sprüchen und Kommentaren kennt sie sich aus der Zeit bei den B-Junioren eh aus. Sie nimmt möglichen interessierten Frauen die Scheu. "Wenn du die Leistung bringst, sagt niemand was", so Maihs, die ausdrücklich für diese Erfahrung wirbt. Und das mit der eigenständigen Kabine zum Umziehen habe auch früher in der B-Jugend in 99 Prozent der Fällen geklappt. Dann wird das wohl auch schon bei den Herren klappen.

Eine Anekdote ist ihr übrigens vom Samstag besonders im Gedächtnis geblieben. Vorm Warmmachen holte sie sich ihre Schienbeinschoner. Ein älterer Herr beobachtete sie. "Als ich vorbeigelaufen bin, hat er gefragt: 'Spielen die Damen hier nach?' Ich so: 'Weiß ich nicht.' Er dann: 'Warum machen Sie sich dann hier warm?'  Ich so: 'Ich spiele hier gleich.' Er fragte: 'Ist das möglich?'" Und wie das möglich ist. Vielleicht ja noch in ein paar Spielen in der Rückrunde für den Tabellenführer...

Germania Schale hat bereits eine Frau auf dem Feld

Vorreiterin im Kreis ist Maihs aber nicht. Germania Schale II (Kreisliga D) war schneller. Seit Saisonbeginn spielt dort Kristin Neubauer. Die spielt eigentlich in der Oberliga Handball für die SGH Ibbenbüren. Bis zur D-Jugend war sie aber mit dem größeren Ball unterwegs. Auch in Schale kennt man sich. Vor der Saison kam sie auf den Trichter: Mitspielen könnte ich ja wohl. Und sie macht ihre Sache nicht so schlecht. "Je mehr sie spielt, umso besser wird's. Sie ist besser als manch Mann", weiß Lars Finke. Tecklenburgs Kreisvorsitzender ist zugleich Trainer der Schaler Zweitvertretung. Neubauer ist Allrounderin auf dem Feld und vornehmlich im Mittelfeld zu finden. Wie kommt ihr Einsatz an? "Für uns ist das nichts Besonderes und sie ist ein Teil der Mannschaft wie alle anderen auch", sagt Finke und fügt lachend an: "Der einzige Unterschied: Sie geht natürlich nicht mit uns duschen." Dazu bedürfe es eine gesonderte Kabine. Aber das sei kein großes Problem.


Allerdings stößt das Projekt nicht überall direkt auf Gegenliebe oder Verständnis. "Da kommt man manchmal in Welten rein, da denkt man, die sind weit hinter der Zeit geblieben. 'Die kann doch nicht mit spielen', 'Was will die denn hier?' - solche Sprüche gibt es schon", so Finke. Aber das sei eher nicht die Regel. Neubauer mache das auch nichts aus. "Die, die auf der Bank sitzen, kriegen dann auch den passenden Spruch zurück." So soll es auch sein.

Aufwand hält sich in Grenzen

Der bürokratische Aufwand hält sich überraschenderweise in Grenzen. Möglich sind mehrere Varianten: Der Einsatz in einer Männermannschaft bei Verein X und bei einer Frauenmannschaft in Verein Y. Hier müssen bloß die üblichen Regeln des Zweitspielrechts eingehalten werden. Oder man spielt halt für die Frauen- und Männermannschaft im selben Verein. "Man kann theoretisch erst sonntags bei den Frauen und dann bei den Herren spielen. Und man kann sich nicht festspielen", berichtet Finke-Holtz. Die oft größte Hürde: Im DFB-Net muss an einer Stelle der Haken beim "Gemischten Spielen" gesetzt sein. Die genaue technische Abhandlung hiervon ersparen wir euch, einfach mal den Staffelleiter eures Vertrauens fragen. Was übrigens nicht funktioniert: Männer dürfen nicht in Frauenmannschaften mitspielen. Die Gründe liegen wohl auf der Hand. Alles zum Themenbereich Öffnet externen Link in neuem Fenster'Transgender' gibt's hier.



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