Borussias surrealer Triumphzug

Von Christian Lehmann

(16.06.23) Das mutete schon ein wenig surreal an, als Cebrail Demir die Kugel in der 72. Minute wie im Training mit einem perfekt getimten Chip-Ball ins Tor löffelte und grinsend abdrehte. Es war der Treffer zum 7:0 für Borussia Münster im Endspiel der Relegation um den Landesliga-Aufstieg gegen Fortuna Freudenberg. Die 705 Zuschauer, die den Weg ins Stadion an der Oststraße in Meinerzhagen gefunden hatten, blickten sich entweder schockiert oder ungläubig an. Passiert das hier wirklich gerade?!? Es passierte! Allen Widerständen, allem Terz und allem Ärger im Vorfeld zum Trotz legten die Männer von Trainer Henry Hupe gegen einen überforderten Gegner eine Glanzleistung auf den Kunstteppich. Am Ende stand ein 7:2-Sieg - und ein Triumphmarsch in die Landesliga.

Die lange Busfahrt hatten die Borussen in knapp über drei Stunden sehr ordentlich über die Bühne bekommen, das Stammpersonal stand komplett zur Verfügung. Und früh zeigte sich, dass der Gegner aus Freudenberg zwar Anhänger-technisch deutlich in der Überzahl war, aber längst nicht über die spielerische Klasse verfügte wie etwa der FC Marl, an dem Borussia in Runde eins der Relegation um ein Haar gescheitert wäre. Die Mannschaft von Trainer Dominic Solms überließ Borussia den Ball und hoffte auf Umschaltsituationen.

Lautstarker Freudenberger Anhang 

Dieser Plan ging zunächst überhaupt nicht auf, schon nach wenigen Minuten stapfte Johannes Steinbach völlig blank auf das Freudenberger Tor zu, doch Johannes Engel im Kasten der "Flecker" parierte stark (13.). Machtlos war er wenig später, als Marko Costa Rocha nach Steckpass von Hannes John viel zu viel Platz hatte und von halblinks ins lange Eck traf - 0:1 (15.). Die lautstarken Anfeuerungsrufe der Lila-Orangen verhallten schnell - erst recht, als Steinbach nach einem Lattenkracher von Cebrail Demir den Ball per Kopf zum 0:2 über die Linie gedrückt hatte (26.). Mit beeindruckendem Geschick verteidigte Borussia anschließend die Führung. Im Zentrum saugten Nils Burchardt und Mats Klosa schon fast alles weg, und wenn sie doch mal einen Freudenberger mit Ball passieren ließen, schritten Felix Klaphake und Mathis Schrick zur Tat. Schnapper Philipp Oluts hätte sich auch eine Hängematte in seinem Kasten aufstellen können.

Nach der Pause schworen sich die Freudenberger nochmal ein, wollten das Spiel unbedingt nochmal drehen - und bekamen nun aber mal so richtig auf die Goschen: Gegen einen nun viel zu hoch stehenden und - sorry - stümperhaft verteidigenden Gegner hatten entfesselte Borussen leichtes Spiel: Steinbach tunnelte seinen Gegenspieler an der Mittellinie, Cebrail Demir hatte ganz viel Wiese vor sich, umkurvte Engel mit einem lässigen Sohlenroller und schob ein (50.). Nun wurde es vogelwild: Steinbach, Hannes John und Costa Rocha spielten Katz und Maus mit der Fortunen-Defensive, letzterer drückte den Ball aus kurzer Distanz zum 0:4 über die Linie (58.).

Costa Rocha und Demir begeistern

Doch es war noch längst nicht Schluss: Wieder nutzte Costa Rocha seine massiven Tempovorteile und brach durch, wurde von Engel aber weit nach draußen abgedrängt. Kein Problem, denn der Rückpass auf Demir war ebenso perfekt getimt wie dessen Abschluss rechts oben ins Eck (64.). Das furiose Flügel-Duo hatte aber immer noch nicht genug: Felix Klaphake tanzte hinten lässig zwei Gegenspieler aus, der Ball rutschte wieder durch zu Costa Rocha, der dem bemitleidenswerten Freudenberger Keeper das nächste Ei ins Netz legte (0:6/68.). Dann kam Demirs herrlicher Heber (0:7/72.) - und die Borussen waren im siebten Himmel. Dass nach insgesamt fünf Wechseln ein wenig die Struktur flöten ging und Fortuna nach einem Distanzschuss von Bugra Köksal (85.) und einem direkt verwandelten Freistoß von Enes Cimen (90.) noch verkürzte - geschenkt!

Beachtlich, dass Freudenbergs Zuschauer ihr Team während und nach dem Spiel trotz des Debakels feierten. Sie mussten anerkennen, dass diese Borussia aus Münster an diesem historischen Abend in Meinerzhagen eine Nummer zu groß für sie war.  

Fortuna Freudenberg - Borussia Münster     2:7 (0:2)
Borussia: Oluts - Pauli (75. Springeneer), Klaphake, Schrick, Theuringer (81. Schmidt) - Burchardt, Klosa, John (81. Happe) - Demir (81. Vogt), Steinbach (72. Wüst), Costa Rocha 
Tore: 0:1 Costa Rocha (15.), 0:2 Steinbach (26.), 0:3 Demir (50.), 0:4 Costa Rocha (58.), 0:5 Demir (64.), 0:6 Costa Rocha (68.), 0:7 Demir (72.), 1:7 Köksal (85.), 2:7 Cimen (90.)

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Spekulieren zwecklos - aber spannend

Von Christian Lehmann

(20.06.23) Die letzten Entscheidungen der Saison 2022/23 sind gefallen, die ersten Teams in Westfalen sind sogar schon in die Vorbereitung eingestiegen. Viele überkreislich kickende Amateurfußballer wissen derweil noch gar nicht, gegen wen sie in der nächsten Saison antreten. Wir wissen mittlerweile aber, WANN sie es wissen. 

Der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) hat auf seiner Homepage angekündigt, dass der Verbands-Fußball-Ausschuss (VFA) die Staffeleinteilung der überkreislichen Spielklassen am 4. Juli vornehmen und am 7. Juli gegen Mittag auf seiner Homepage veröffentlichen wird. Ferner heißt es in der Mitteilung des Verbands: "Der VFA weist an dieser Stelle explizit darauf hin, dass alle Informationen die im Vorfeld der o. g. Staffeleinteilung seitens der Vereine und Medien veröffentlicht werden, reine Spekulationen sind. Auch sämtliche Wünsche auf Ein- bzw. Umgruppierung werden erst am 04.07.2023 in Augenschein genommen und überprüft."

Wolbeck und Telgte wohl wieder Grenzfälle

Spekulieren ist also zwecklos - aber irgendwie auch spannend. Vor allem die Zusammensetzung der Bezirksliga-Staffel 12 lässt wieder reichlich Raum für Interpretation: Nachdem die Ibbenbürener SpVgg und Borussia Münster in die Landesliga aufgestiegen und insgesamt fünf Teams abgestiegen sind, bleiben nur noch zehn Mannschaften übrig. Mit den beiden Landesliga-Absteigern Concordia Albachten und BSV Roxel sowie drei Aufsteigern (Germania Horstmar, Falke Saerbeck, Wacker Mecklenbeck) wären wir bei 15 Teams. Bliebe also noch ein Platz frei - für den VfL Wolbeck? Oder die SG Telgte? Oder kommt doch alles ganz anders?

Das Gezanke um die Staffel-Zugehörigkeit hat am Brandhoveweg und im Takko-Stadion schon fast Tradition. Wolbeck tummelte sich von 2017 bis 2020 in Staffel 12, wurde dann aber im Zuge der Corona-bedingten Aufstockung einiger Ligen in die Staffel 7 umgruppiert. Telgte war zwischen 2012 und 2015 sowie zwischen 2018 und 2020 schon in Staffel 12, wurde dann aber ebenfalls in die Staffel 7 geschoben - sehr zum Missfallen der Beteiligten. 

Dietrich: "Wir würden gerne wechseln"

Mittlerweile haben sich beide Vereine mit den Gegebenheiten arrangiert - eine Vorliebe für die Münsterland-Staffel bleibt. "Einige behaupten ja, Telgte liegt näher an Münster als Wolbeck. Wir sind aber ein Stadtteil von Münster und fühlen uns schon den Münsteraner Teams zugehörig", sagt Jens Dietrich, Wolbecks Sportlicher Leiter. Für ihn wären natürlich Duelle mit seinem Ex-Verein SC Münster 08 besonders reizvoll. "Uns ist es im Endeffekt egal. Wir würden gerne in die 12 wechseln." VfL-Chefcoach Daniel Hölscher hofft als Sprakeler ebenfalls darauf, dass es gegen Albachten, Roxel, Nullacht oder Wacker geht statt gegen Ahlen, Westönnen, Heessen oder Hilbeck. "Hoffentlich geht's in die 12. Für mich persönlich wäre die wegen der vielen Derbys natürlich interessanter. Mal gucken, wo die Reise hingeht. Wir nehmen's, wie es kommt..."

Ähnlich geht Telgtes neuer Trainer André Kuhlmann an die Sache ran. Er kennt die Staffel 12 aus der vergangenen Saison mit Blau-Weiß Aasee - weiß also, dass sie sportlich durchaus anspruchsvoll ist. Borussia Münsters Husarenritt in der Relegation war nur ein Beleg dafür. "Wir haben am Wochenende in kleiner Runde darüber gesprochen und wissen, dass Bewegung in die Sache kommen könnte. Die Bezirksliga 12 ist eine extrem geile Liga. Ich würde viele Teams schon kennen. Trotzdem finde ich auch die Staffel 7 attraktiv und gehe davon aus, dass wir dort eingruppiert werden. Ich freue mich riesig auf die Duelle mit der WSU. Ich habe mich auch sehr über deren Aufstieg gefreut", sagt der Warendorfer, um mit einem Augenzwinkern hinzuzufügen: "Aber wer weiß... Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass der Verband macht, was er will..."  

Langer Rede kurzer Sinn: Abwarten. Spätestens am 7. Juli wissen wir alle mehr.